Weinbau
Auf ein Gläschen Roter Bur
„Gott geb' allen Menschen
ein Streben nach Wahrheit,
dann bleibt auch dem Weine
die Echtheit und Klarheit,
Gott spende des Sonnenlichts sonnigsten Strahl
den Blüten der Reben im Glottertal.“
So besang der Dichter Viktor von Scheffel den Glottertäler Wein, als er im Jahre 1881 in Bad Dürrheim zur Kur weilte und von dort aus gerne beim Löwenwirt zu Rietheim bei Villingen auf ein Glas „Roter Bur“ aus dem Glottertal einkehrte. Das zeigt, dass der Glottertäler Wein schon damals einen gute Ruf hatte.
Seit Jahrhunderten wird im Glottertal Weinbau betrieben. Die älteste Erwähnung von Reben, die heute bekannt ist, stammt aus dem Jahre 1585 und steht im Zusammenhang mit dem ehemaligen Schloss Winterbach. Als nach dem Tode von Valentin Weißbecke das Schloss an Balthasar Gut verkauft wurde, sind in dem am 8. März 1585 aufgestellten Kaufvertrag auf dem Schloss Winterbach auch Reben erwähnt. Nachdem auf dem Einbollen die ersten Reben schon um das Jahr 1400 gepflanzt worden waren, dürfte im Laufe des 15. Jahrhunderts der Weinbau im Glottertal seinen Anfang genommen haben.
Neben den Schlossherren von Winterbach haben auch die Untertäler Bauern vor allem am Einbollen schon im 16. Jahrhundert Reben besessen. Die Verwüstungen und Plünderungen, die im 30jährigen Krieg über das Tal herein brachen, brachten den Weinbau jedoch wieder zum Erliegen. Jahrzehntelang spielten die Reben für die Bauern des Tales keine Rolle mehr. Um 1730 hatte nur noch der Wisserbur Reben.
Das änderte sich erst wieder gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Erneut gingen die Impulse vom Schloss Winterbach aus. Als Karl von Kleinbrodt um 1770 Schlossherr wurde, pflanzte er in den folgenden Jahren am Schlossberg ein großes Stück Reben an. Da er im Ort ein angehener Mann war, folgten ihm bald viele Bauern in allen vier Gemeinden des Glottertales, so dass der Weinbau rasch große Verbreitung fand. Um 1835 begannen die Ohrensbacher Bauern, ihr Ödfeld und die wenig ergiebigen Wälder am Eichberg zu roden, und legten dort Reben an. Auch einige Taglöhner pachteten von den Bauern ein Stück Ödfeld im Eichberg und pflanzten dort Reben.
In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts kamen dann die Reben am Schlossberg in Glottertäler Hände. Damals verkaufte der Schlossherr Emanuel Auerbach seinen Besitz in kleinen Parzellen an Glottertäler Bürger. Das gab vielen Tagelöhnern die Gelegenheit, ein kleines Stück Reben zu erwerben. Der Höchststand des Weinbaus im Glottertal wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erreicht. Damals wurden nicht nur am Eichberg und Schlossberg Reben gepflanzt, sondern fast jeder Bauer legte auf seinem Hofgelände Reben an, teilweise bis in sehr hohe Lagen. In Oberglottertal besaß der Hartererhof große Rebstücke. Auch auf dem Hilzingerhof hatte man eigenen Wein und sogar auf dem rund 700 Meter hoch gelegenen Wuspenhof. Im Föhrental hatte sich der Weinbau bis auf die Sonnenseite der Almi und bis ins obere Föhrental ausgebreitet.
Aber gegen Ende es 19. Jahrhunderts wurde durch das Auftreten bis dahin unbekannter Rebkrankheiten (u.a. Peronospora, Oidium und Reblaus) der Ausbreitung des Weinbaues ein rasches Ende gesetzt. Die Ernteausfälle häuften sich, so dass die Rebfläche bald wieder zurückging. In der wirtschaftlich schwierigen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war aber selbst der auf den reduzierten Flächen geerntete Wein nur schwer abzusetzen. Während sich in anderen Gemeinden die Winzer zusammen schlossen, war damals im Glottertal die Zeit für eine Winzergenossenschaft noch nicht reif. Einige versuchten, ihren Wein abzusetzen, indem sie ihre Stube als Straußwirtschaft anmeldeten und dort ihren Wein anboten. Die meisten Winzer im Glottertal waren aber davon abhängig, was ihnen die Gastwirte für ihre Weine boten. Das war oftmals nicht sehr viel.
Gründung der Winzergenossenschaft
In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg gab es für die Glottertäler Winzerinnen und Winzer erneut große Absatzschwierigkeiten. Der Weinpreis war keineswegs befriedigend. In anderen Gemeinden hatte man sich teilweise schon vor vielen Jahren dazu entschlossen, eine Winzergenossenschaft zu gründen und damit gute Erfahrungen gemacht. Auch im Glottertal gab es nun einige Winzer, die in einem solchen Zusammenschluss die Möglichkeit sahen, die Situation der Rebenbesitzer im Tal zu verbessern und die Absatzprobleme zu lösen. Erste Schritte wurden im Sommer 1950 unternommen.
Damit setzte eine Entwicklung ein, die eine ganz entscheidende Bedeutung für das ganze Tal bekommen sollte. Ohne die Gründung der Winzergenossenschaft würde heute im Glottertal nicht mehr in diesem Ausmaße Weinbau betrieben und die Entlohnung für die harte und mühevolle Arbeit der Winzer würde sicher geringer ausfallen. Ohne die Reben im Eichberg und Schlossberg wäre aber auch das Gesicht des Glottertales ein völlig anderes. Der landschaftliche Reiz wäre viel geringer mit allen Auswirkungen auf den Fremdenverkehr.
Aber die Skepsis im Ort war zunächst groß. Etwas von seiner Eigenständigkeit aufzugeben und sich in eine Genossenschaft einzubinden, das war eigentlich nicht nach dem Geschmack der Winzer, vor allem nicht der Bauern, denen die Unabhängigkeit seit Jahrhunderten stets das Wichtigste war. Endgültiger Anlass zur Gründung der Winzergenossenschaft war dann aber die relativ große Traubenernte des Jahres 1950. In diesem Jahr standen über 100 hl unverkäuflicher Wein in Zubern und anderen möglichen und unmöglichen Gefäßen herum, die nicht einmal zum Preis von 80 Pfennig je Liter abzusetzen waren.
Die Wirte konnten bei der großen Weinmenge den Preis bestimmen und immer weiter drücken. Die Winzer waren aber nicht in der Lage, bei dieser Menge die Weine selbst auszubauen und zu lagern. Da sie auf das Geld aus dem Weinertrag angewiesen waren – viele Rebenbesitzer waren Tagelöhner und hatten außer dem Erlös aus ihren Reben sonst kaum Einkünfte – mussten sie ihren Wein weit unter dem Wert verkaufen.
Am 7. Juli 1951 war es dann soweit. Unter der Federführung von Bürgermeister Herbstritt von Ohrensbach und Hermann Disch, Karl Mack und Josef Scherzinger von Unterglottertal wurde die Gründung der Winzergenossenschaft vollzogen und 13 Winzer mit einer Rebfläche von zusammen 3,2 ha erklärten ihren Beitritt. Bürgermeister Herbstritt wurde zum Vorsitzenden und Hermann Disch zum Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt. Franz Feser wurde Kellermeister.
Der Start war denkbar schwierig. Die meisten Winzer standen der neu gegründeten Winzergenossenschaft überaus skeptisch gegenüber. Da zunächst keinerlei finanzielle Mittel vorhanden waren, stellte Josef Herbstritt einen ersten Geldbetrag zur Verfügung, womit in den ersten Wochen die notwendigsten Anschaffungen getätigt werden konnten, bevor man mit einem Kredit von der Bezirkssparkasse Waldkirch die erste finanzielle Grundlage schuf.
Das nächste Problem war die Beschaffung von Fässern und deren Unterbringung, um im bevorstehenden Herbst den Wein der Mitglieder sachgemäß einlagern zu können. Schließlich stellten Hermann Disch, Josef Herbstritt und Julius Birkle ihre Kellerräume kostenlos für die Winzergenossenschaft zur Verfügung. Von Küfermeister Grafmüller in Emmendingen wurden 14 gebrauchte Fässer erworben, die rund 205 hl fassen konnten.
Diese Maßnahmen wurden von bisher außen stehenden Winzern mit großem Interesse verfolgt, so dass sich nach wenigen Wochen 16 weitere Winzer der Genossenschaft anschlossen.
Dann ging es auf den Herbst 1951 zu. Die Genossenschaftsmitglieder mussten ihre Trauben noch selbst pressen. Der „Neue“ wurde dann mit dem Fuhrwerk umgehend in einen der drei Winzerkeller gebracht. Die Weinanlieferung betrug rund 218 hl. Es wurden 75 bis 104 Oechslegrade gemessen. Außerdem wurden von den Mitgliedern noch etwa 53 hl Wein aus dem Jahre 1950 angeliefert.
Um die finanzielle Lage zu verbessern, beschloss man, im Haus von Georg Mack eine Winzerstube einzurichten. Im Januar 1952 war die WG der Weinwerbezentrale der Badischen Winzergenossenschaft beigetreten. Außerdem beteiligte man sich im Februar 1952 am Freiburger Weinmarkt, um dabei die Bekanntheit und den Absatz des Weines zu fördern. So erweiterte sich der Kundenkreis rasch. Gasthäuser in Triberg, Bad Dürrheim und Mannheim, aber auch das Internationale Studentenhaus in Bonn wurden schon im ersten Jahr gute Kunden der WG-Weine.
Für die maßgebenden Initiatoren der Winzergenossenschaft war es deshalb eine besondere Genugtuung, dass die Mitglieder der WG bereits zum Ende des ersten Geschäftsjahres 2,-- DM pro Liter Eichberg und 1,80 DM pro Liter Schlossberg ausbezahlt bekamen. Die Moste der Nichtmitglieder waren dagegen nicht einmal für 80 Pfennig je Liter abzusetzen. Dies hatte zur Folge, dass immer mehr Winzer den Anschluss an die Winzergenossenschaft suchten, zumal auch in den folgenden Jahren bei guten Ernten ein Teil des Weines der Nichtmitglieder keinen Absatz fand.
Kellermeister Franz Feser gelang es schnell, durch eine einheitliche und fortschrittliche Weinbehandlung dem Glottertäler Wein zu hohen Auszeichnungen und ständig steigendem Bekanntheitsgrad zu verhelfen.
Bald hatten die Weinanlieferungen einen solchen Umfang angenommen. Dass die bisher zur Verfügung stehenden Keller nicht mehr ausreichten. Außerdem wurde die Anschaffung einer Keltereianlage nun unumgänglich, damit die Mitglieder ihre Trauben direkt bei der WG anliefern konnten und nicht erst zu Hause pressen mussten. Im Herbst 1955 erwarb man die stillgelegte Zigarrenfabrik Strohm. Nun war es auch möglich, moderne und kostspielige Maschinen und Geräte zum Ausbau des Weines zu beschaffen.
Die Mitgliederzahl war Ende 1955 auf 60 angewachsen und die Glottertäler Weine hatten sich im ganzen Bundesgebiet einen Namen gemacht. Vor allem die Lage „Roter Bur“ fand viele Freunde und erzielte schon in den fünfziger Jahren hohe Auszeichnungen auf Landes- und Bundesebene. Auch in den kommenden Jahren stieg die Mitgliederzahl, und die Räumlichkeiten wurden weiter ausgebaut. Im Jahre 1973 wurde die neue Kelterhalle errichtet und mit einer neuen Traubenerfassungsanlage mit Absaug- und vollautomatischer Wiegevorrichtung ausgestattet. Für die Traubenverwertung wurden sechs neue Abtropftanks und eine Traubenpresse installiert. Auch das Flaschenlager und die Tankkeller wurden erheblich erweitert. Dieses Projekt verdoppelte die Kapazität der WG Glottertal auf 4310 Hektoliter. Die gute Vermarktung der Weine hatte zur Folge, dass die Genossenschaft ihren Mitgliedern – die Mitgliederzahl war bis zum Jahre 1976 auf 138 angestiegen – trotz der hohen Kosten für die Neubaumaßnahmen alljährlich eine gute Auszahlung bieten konnte. Die WG Glottertal lag mit ihren Auszahlungsbeiträgen unter den badischen Genossenschaften jeweils mit an der Spitze. Schon im Jahre 1975 wurde fast 1 Million an Traubengeldern ausbezahlt. Auch mit der örtlichen Gastronomie kam es allmählich zu einem guten Einvernehmen, so dass diese heute weitgehend von der Winzergenossenschaft mit Wein beliefert werden.
Ende der 1980er Jahre entstand ein großer Winzersaal mit einer sehr gelungenen rustikalen Einrichtung. Hier finden etwa 200 Personen Platz, so dass nun auch große Gesellschaften zu Weinproben empfangen werden können. Heute liefern die 157 Mitglieder der Winzergenossenschaft von etwa 50 ha Reben ihre Trauben an die WG Glottertal. Davon sind 80 % Blauer Spätburgunder, 12 % Ruländer, 5 % Müller-Thurgau sowie einige kleine Mengen Gewürztraminer, Riesling, Weißer Burgunder und Muskateller. Ein Großteil der Weine der Glottertäler Winzergenossenschaft wird im Ort selbst vermarktet. Jährlich hat die WG im Durchschnitt einen Weinumsatz von etwa 3300 hl. Die Glottertäler Weine aus den Lagen Eichberg und Roter Bur tragen mit dazu bei, den Ruhm der weitbekannten Gastronomie des Tales noch mehr zu verbreiten. Sie sind ein wichtiger Werbeträger für den Fremdenverkehr des Glottertales.
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