Der Kunstfehler (1)
In der "Schwarzwaldklinik" im OP.
Prof. Brinkmann: Wie Sie sehen handelt es sich erfreulicherweise um einen gutartigen Tumor. So, wir beginnen mit dem Wundverschluss.
Arzt: Klammer.
Prof. Brinkmann: Machen Sie es, Schäfer.
Dr. Schäfer setzt das Klammergerät auf die Haut und zittert.
Prof. Brinkmann: Na, was ist denn? Das machen Sie doch nicht zum ersten Mal. Geben Sie her.
Dr. Schäfer: Entschuldigen Sie.
Prof. Brinkmann: Bitte Schweiß tupfen.
Die Patienten wird aus dem OP gefahren. Draußen wartet ein Angehöriger.
Herr Monk: Können Sie mir was sagen, Herr Professor?
Prof. Brinkmann: Eine harmlose Geschwulst, Herr Monk. Alles bestens.
Herr Monk: Gott sei Dank.
Dr. Schäfer: Es... äh... tut mir sehr leid, ich hatte plötzlich so 'ne Verspannung in den Fingern.
Prof. Brinkmann: Na, das tut mir leid, dass ich so heftig wurde. Das wird ja nicht öfter passieren.
Dr. Schäfer: Nein, um Gottes Willen, ich bin völlig in Ordnung.
Prof. Brinkmann: Also dann, auf zur Feier.
Dr. Schäfer: Ja.
Bodo Buderius im Zug.
Fahrgast: Hän Sie Kummer? Isch Ihnen Ihr Mädle davonglaufe? Oder hän Sie kein Geld? Soll ich Ihnen a paar Mark gebe? Also irgendwas müsse Sie doch han. Ahso, und jetzt tuats so arg weh. Ja, sind Sie denn schon mal ben a Doktor gsi?
Bodo Buderius: Seitdem tut's ja so weh.
Fahrgast: Ja ja, die Ärzt, ich kenn des. Mi Asthma bringe sie au nie wieder weg. Aber i gang trotzdem immer wieder ind Sprechstund. Ich mein, Sie sollte halt au nochmol zum a Doktor gohn.
Der Zug fährt in den Bahnhof ein. Eine Stimme ertönt aus dem Lautsprecher: "Titisee". Bodo Buderius steigt aus.
Bodo Buderius: Entschuldigung.
Fahrgast: Hey, junger Mann. Sie hän Ihren Koffer vergesse.
Lautsprecherdurchsage: "Richtung Freiburg bitte Türen schließen. Vorsicht an der Bahnsteigkante."
Fahrgast: Bitte.
Bodo Buderius: Danke.
Bodo Buderius steigt in ein Taxi.
Bodo Buderius: Zu einem Arzt bitte.
Taxifahrer: Gerne. Wollen Sie zu einem bestimmten?
Bodo Buderius: Ist egal, zu irgendeinem.
Taxifahrer: Also fahre ich sie am besten mal in die "Schwarzwaldklinik".
In der "Schwarzwaldklinik". Lernschwester Elke trifft auf Pfleger Mischa. Lachen ist auf dem Klinikflur zu hören.
Mischa: Tag, Schwester.
Lernschwester Elke: Hallo.
Mischa: Was ist denn da drin los?
Lernschwester Elke: Die feiern. Der Chef hat Geburtstag. Und die neue Anästhesistin gibt ihren Einstand.
Mischa: Ist doch prima. Ist doch nichts los auf der Station.
Im Chefarztzimmer wird herzhaft gelacht.
Bodo Buderius schleppt sich die Treppe hoch.
Lernschwester Elke: Du, was ist mit dem los?
Mischa: Schnell, 'ne Fahrtrage.
Patient: Kann ich helfen?
Pfleger Mischa: Nee, machen wir schon.
Lernschwester Elke: Das liegt vielleicht an seinem Daumen da.
Mischa: Komm', hast' ihn?
Lernschwester Elke: Jaja.
Mischa: Hepp. So, ab in die Notaufnahme.
Der Taxifahrer kommt hinzu.
Taxifahrer: Ach, da ist er ja. Ohnmächtig. Ich krieg' nämlich noch 9 Mark 20 von ihm.
Mischa: Na, sie haben Nerven. Hier, 'nen Zehner, stimmt so.
Taxifahrer: Danke, muss ja alles seine Richtigkeit haben.
Mischa: Ja, sagte die Katze und fraß die Maus.
Im Chefarztzimmer.
Prof. Brinkmann: Tja, Frau Kollegin, jetzt sind Sie an der Reihe. Ohne guten Witz wird keiner ins Kollegium aufgenommen.
Udo: Ja.
Dr. Katarina Gessner: Ich? Oh Gott. Also ich kann absolut keine Witze erzählen. Bitte, wenn Sie unbedingt wollen? Ja, also in die Klinik in der ich garbeitet hab' wird eines Tages ein Mann eingeliefert, der war auf der Straße zusammengebrochen. Bei sich hatte er einen Zettel auf dem steht: Achtung, hier handelt es sich um einen Fall von Epilepsie, nicht um Blinddarm.
Udo: Na und?
Dr. Katarina Gessner: Dieser war ihm bereits zweimal herausgenommen worden.
Ein Lachen geht durch das Zimmer.
Dr. Rens: Also zu den schönsten Ärztewitzen gehört zweifellos auch folgender: Ein berühmter Psychiater...
Dr. Rens wird von Fräulein Meis unterbrochen.
Fräulein Meis: Herr Doktor Rens?
Dr. Rens: Ja.
Fräulein Meis: Bitte in die Notaufnahme.
Dr. Rens: Na, vielleicht übermorgen.
Dr. Rens verlässt das Chefarztzimmer.
Prof. Brinkmann: Dann darf ich ans Buffet bitten.
Udo: Das ist eine gute Idee.
Dr. Katarina Gessner: Ja.
In der Notaufnahme. Bodo Buderius wird versorgt.
Lernschwester Elke: Der Patient war zwei Minuten ohne Bewußtsein. Sehen Sie mal, Herr Doktor.
Dr. Rens: Ziehen Sie Anästhesie oral auf Antibiotics Mittel.
Bodo Buderius: Das können Sie sich sparen. Eine Spritze habe ich schon bekommen. Davon ist es ja erst so schlimm geworden.
Dr. Rens: Was ist denn mit Ihrem Daumen passiert?
Bodo Buderius: Ich bin zwischen 'ne Autotür gekommen. Freunde haben mich in die Klinik gefahren in Eibenkirchehausen. Da bin ich zu Hause.
Dr. Rens: Ist der Daumen geröntgt worden?
Bodo Buderius: Nein, ich hab' nur eine Spritze bekommen. Daraufhin wurde ich dann zum ersten Mal ohnmächtig. Ich weiß nicht ob das jetzt wichtig ist, aber als ich dann wieder einigermaßen bei mir war hörte ich wie der Arzt der Schwester Vorhaltungen machte. Die Spritze auf dem Tisch habe ich gemeint, nicht die von dem oder so ähnlich. Der Schmerz ließ dann allerdings nach. Und da bin ich in den Zug nach Karlsruhe gestiegen.
Dr. Rens: Passen Sie auf, Herr...
Bodo Buderius: Buderius, Bodo Buderius.
Dr. Rens: Herr Buderius, ich gebe Ihnen jetzt gegen Ihre Schmerzen eine Spritze und einen Verband um die Finger, ja?
Bodo Buderius: Ist eh schon alles egal.
Bei Professor Brinkmann im Chefarztzimmer. Dr. Rens erklärt ihm den Fall Bodo Buderius.
Dr. Rens: Die Blutergüsse reizen offensichtlich intensiv die Nervenendigungen. Abgesehen davon, dass die Spritze den Nerv verletzt hat. Und das ist ja wohl klar eine Gelenksplitterung.
Prof. Brinkmann: Hach, Sie müssen von allen guten Geistern verlassen worden sein, Herr Kollege. Natürlich hat Ihre Spritze den Nerv verletzt. Und wie sie ihn verletzt hat. Mann oh mann oh mann, ich dachte Sie können sowas.
Dr. Rens: Darf ich das mal richtigstellen, Herr Professor?
Prof. Brinkmann: Aber was ist da richtigzustellen?
Dr. Rens: Die Spritze wurde dem Patienten in der Klinik von Eibenkirchenhausen gegeben. Und dann wurde er ohne Röntgenaufnahmen nach Hause geschickt.
Prof. Brinkmann: Achso, na Gott sei Dank.
Dr. Rens: Der Patient sagt sein Eindruck sei gewesen, dass der anwesende Bereitschaftsarzt wegen eines Massenunfalls überfordert gewesen ist. Er habe auch eine Schwester angeschnauzt eine verkehrte Spritze verwendet zu haben.
Prof. Brinkmann: Also gut, das kann später geklärt werden, nicht? Die Hauptsache ist, dass wir nicht auch noch was falsch machen.
Dr. Rens: Ich will Ihrem Urteil ja nicht vorgreifen, aber...
Prof. Brinkmann: Ja warum nicht, lieber Herr Kollege, warum denn nicht? Irgendwann müssen Sie auch mal das erste Wort haben.
Dr. Rens: Meiner Ansicht nach ist der Daumen verloren.
Prof. Brinkmann: Ja, meiner Ansicht nach leider auch. Aber ein paar Stunden für einen Rettungsversuch haben wir ja noch, nicht?
Dr. Rens verlässt das Chefarztzimmer. Professor Brinkmann geht an das Telefon.
Vor der "Schwarzwaldklinik" auf dem Parkplatz. Udo springt mit Schwung in sein Auto. Plötzlich streift ihn ein anderes Auto.
Dr. Katarina Gessner: Oh... äh... Entschuldigung.
Udo: Guten Morgen.
Dr. Katarina Gessner: Guten Morgen. Falls Sie das jetzt nicht ironisch meinen.
Udo: Wieso? Ist ja nix passiert.
Dr. Katarina Gessner: Ja, das stimmt. Wissen Sie... ich bin keine gute Autofahrerin.
Udo: Besser als wenn Sie keine gute Anästhesistin wären.
Dr. Katarina Gessner: Das stimmt allerdings. Guten Morgen.
Dr. Katarina Gessner geht. Dr. Rens taucht plötzlich hinter Udos Rücken auf.
Dr. Rens: Da beißt du auf Granit.
Udo: Will ich denn beißen?
Dr. Rens: War ja nur ein freundschaftlicher Hinweis. Ihr Vater ist Theologieprofessor und sie ist verheiratet.
Udo: Und woher weißt'n das?
Dr. Rens: Sie stammt aus Freiburg, wie ich. (grinst)
Dr. Katarina Gessner beobachtet die Situation. Oberschwester Hildegard kommt gerade vorbei.
Dr. Katarina Gessner: Ach, Oberschwester Hildegard. Ich bring' immer noch die Namen und die Personen durcheinander. Sagen Sie, wer ist der Blonde?
Oberschwester Hildegard: Ach, das ist unser Dr. Udo, der Sohn vom leitenden Chefarzt.
Dr. Katarina Gessner: Ahja, danke.
Oberschwester Hildegard: Er hat schon alle durch.
Dr. Katarine Gessner: Wie bitte?
Oberschwester Hildegard: Schwestern, Assistentinnen und Ärztinnen soweit vorhanden. Er ist sehr lieb, aber nicht besonder wählerisch.
Dr. Katarina Gessner: Mein Frage galt zwar mehr dem medizinischen Status, aber trotzdem vielen Dank.
Oberschwester Hildegard: Bitte.
Professor Brinkmann besucht Bodo Buderius in seinem Krankenzimmer.
Prof. Brinkmann: Na, wie geht's?
Bodo Buderius: Gut. Alle Schmerzen wie weggeblasen.
Prof. Brinkmann: Das bewirkt die Injektion. Aber die Diagnose ist trotzdem nicht rosig. Starke Entzündungen und Vereiterungen der Knochen... und eine Verletzung des Nervs. Eine... eine Amputation kann vermieden werden, allerdings...
Bodo Buderius: Allerdings?
Prof. Brinkmann: Allerdings wird der Daumen bewegungsunfähig bleiben. Ich weiß, das ist nicht sehr schön, aber es gibt Schlimmeres. Es ist ja der linke Daumen.
Bodo Buderius: Ich bin Pianist. Ich brauche jeden Finger. Es gibt keine Klavierstücke für neun Finger. Wieso haben die mir in Eibenkirchenhausen nichts gesagt? Wieso haben dir mir nur 'ne Spritze gegeben und mich wieder weggeschickt?
Prof. Brinkmann: Ich dabei das zu klären, Herr Buderius. Ich hab' die Unterlagen angefordert, aber den zuständigen Arzt noch nicht erreicht. Kennen Sie zufällig seinen Namen?
Bodo Buderius: Nein. Ich muss meinen Daumen wieder bewegen können, Herr Professor, ich muss. Tun Sie was sie können, bitte. Notfalls verlier' ich ein Bein, aber bitte keinen Finger. Ich kann nichts anderes als Klavier spielen und ich will nichts anderes können.
Prof. Brinkmann: Sie werden sicherlich auch noch was anderes finden. Schauen Sie, dieser... dieser Ner...
Bodo Buderius: Nee, keine Erklärung, ich will meinen Daumen. Haben Sie schon einmal einen Pianisten ohne Daumen gesehen?
Prof. Brinkmann: Nein, aber einen Eiskunstläufer mit Querschnittslähmung. Der liegt auch hier.
Bodo Buderius: Was haben diese Idioten denn mit mir gemacht? Vor der Spritze war doch alles halb so schlimm. Warum ist der Arzt nicht dort zu der selben Diagnose gekommen?
Prof. Brinkmann: Ich werde dieser Frage nachgehen. Bestimmt. Und jetzt verzweifeln Sie nicht, mmmh?
Auf dem Klinikflur trifft Professor Brinkmann auf Pfleger Mischa.
Mischa: Tag, Herr Professor.
Prof. Brinkmann: Tag, Mischa. Du, das ist ein Pianist. Vielleicht am Beginn einer großen Karriere. Sein Daumen wird steif bleiben. Setz' dich rein zu ihm, ja?
Mischa: Ja, aber...
Prof. Brinkmann: Ich weiß, ich weiß, ich weiß, du kannst nichts ändern. Ich hab' nur Angst, dass er...
Mischa: Verstehe.
Prof. Brinkmann: Ich sag' der Oberschwester Bescheid, nicht?
Im Chefarztzimmer. Professor Brinkmann telefoniert.
Prof. Brinkmann: Ja ja, danke. Wiedersehen.
Dr. Schäfer kommt rein.
Dr. Schäfer: Schlechte Nachrichten?
Prof. Brinkmann: Hach, der Kollege in Eibenkirchenhausen der diesen... diesen Murks mit dem Daumen gemacht hat, hat bei mir promoviert. Er war einer der Tüchtigsten.
Dr. Schäfer: Haben Sie mit ihm schon gesprochen?
Prof. Brinkmann: Nein, mit ihm nicht, aber mit dem Chefarzt Dr. Runge. Er will Uwe Barthels, so heißt mein ehemaliger Schüler, Bescheid sagen. Ha, dummerweise ist er Vater von Uwe Barthels noch einer meiner besten Freunde.
Dr. Schäfer: Das ist doch dieser Weingutbesitzer, nicht?
Prof. Brinkmann: Ja. Naja, ich kann mich ja natürlich vor einer Stellungnahme nicht drücken, nicht? Aber... deprimierend ist das Ganze schon.
Dr. Schäfer: Sicher.
Prof. Brinkmann: Das kann das Aus sein für einen jungen Pianisten und für einen jungen Chirurgen übrigens auch.
Dr. Schäfer: Tja.
Pfleger Mischa klopft an.
Prof. Brinkmann: Ja? Na, hat er sich ein bisschen beruhigt?
Mischa: Nee, er ist fix und fertig.
Eine Durchsage über die Lautsprecher ertönt: "Dr. Schäfer bitte ins Ärztezimmer."
Dr. Schäfer: 'Tschuldigung.
Mischa: Er sagt, wenn wir wissen wollen wie ihm zumute ist sollen wir Mittwoch den Fernseher einschalten. Konzert junger Künstler, da spielt er Klavier.
In der Klink in Eibenkirchenhausen. Professor Runge und Dr. Uwe Barthels im Gespräch.
Prof. Runge: Ist... äh... Brinkmann nicht Ihr Doktorvater?
Dr. Uwe Barthels: Ja.
Prof. Runge: Er hat angerufen. Sie möchten zurückrufen.
Dr. Uwe Barthels: Und welchen Sinn hat das?
Prof. Runge: Soweit wie den, dass sie erfahren ob der Patient gerichtliche Schritte einleiten will. Er ist Pianist.
Dr. Uwe Barthels: Ja. Ja, ich weiß. Er war hier bei uns in der Orthopädie zur Behandlung. Kollege Ritters will...
Es klopft an die Tür.
Prof. Runge: Ja, herein.
Dr. Uwe Barthels: Achja.
Arzt: Die Aufnahmen, Herr Kollege.
Dr. Uwe Barthels: Danke. Da sehen Sie schon. Röntgenaufnahmen aus der Zeit vor dem Unfall.
Prof. Runge: Mmmmh.
Dr. Uwe Barthels: Bodo Buderius hat Gelenkverschleiß in den Fingern hervorgerufen durch extreme Überbelastung.
Prof. Runge: Ja. Das ist genau zu sehen, starke Veränderungen. Am kleinen Finger und am Daumen. Aber damit... äh... sind Sie noch nicht entlastet. Das hat nur bedingt miteinander zu tun.
Das Telefon klingelt.
Prof. Runge: Runge? Ah, guten Tag, Herr Kollege, ja. Ja, ja, er ist da. Professor Brinkmann, für Sie. Bitte nehmen Sie Platz.
Dr. Uwe Barthels: Ja, Barthels?
Prof. Brinkmann: Grüß dich, Uwe. Du, sag' mal, was hast du da gemacht, was?
Dr. Uwe Barthels: Ich war das nicht, eine Schwester war das.
Prof. Brinkmann: Aber das ist doch kein Argument. Der Patient kriegt einen Schock und wurde ohnmächtig. Wie kannst du ihn dann, wenn er wieder zu sich kommt, ohne Diagnose und Weiterbehandlung nach Hause schicken?
Dr. Uwe Barthels: Ich habe ihn nicht nach Hause geschickt. Er hat die Schwester gefragt, ob er gehen kann, die hat ja gesagt. Ich war gar nicht mehr in der Notaufnahme.
Prof. Brinkmann: Du, Uwe, pass mal auf. Der Patient hat gehört wie du geschimpft hast, weil die Schwester eine verkehrte Spritze genommen hat.
Dr. Uwe Barthels: Ich weiß nicht. Ich... ich...
Prof. Brinkmann: Hast du das Befinden des Patienten einfach ignoriert? Obwohl du die Panne bemerkt hast?
Dr. Uwe Barthels: Ich habe es nicht ignoriert. Ich musste gleich wieder in den OP zurück. Da lag ein schwerer Schädelbasisbruch. Die Schwester hat...
Prof. Brinkmann: Die Schwester hat, die Schwester hat, Mensch. Willst du alles auf die Schwester abwälzen?
Dr. Uwe Barthels: Nein. Aber das mit dem Daumen, dass er jetzt, wie Sie sagen, steif ist, dass muss nicht in Kausalität mit meiner Unterlassung stehen. Wir haben hier Röntgenaufnahmen über eine Arthrose an der Bodo Buderius seit langem leidet. Die Arthrose ist durch Überstrapazierung der Handgelenke ausgelöst. Diesen Verschleiß hat der Patient, das geht hier aus dem Orthopädiebericht genau hervor, bewusst in Kauf genommen um weitere Akkorde greifen zu können.
Prof. Brinkmann: Aha, du bist wohl gleich dein eigener Obergutachter, was?
Dr. Uwe Barthels: Ach Gott, ich... ich weiß nicht... ich... ich... äh... Will er denn gegen mich prozessieren?
Prof. Brinkmann: Naja, gesagt hat er nichts und gefragt hab' ich ihn auch nicht. Das ist allerdings das Äußerste was ich tun kann. Verstehst du?
Dr. Uwe Barthels: Ja, naja. Ich hoffe, es wird alles nicht so schlimm, wie es jetzt aussieht.
Prof. Brinkmann: Es wird sehr schlimm... für Buderius. Stell' dir vor du, ein Chirurug, bekommst einen steifen Arm. Na, was wärst du, ha? Was wärst du? Portier, Schalterbeamter, Verwaltungsangestellter oder was?
Dr. Uwe Barthels: Hach, ich war im Stress. Das habe ich doch schon gesagt. Was ist ein Daumen gegen einen Schwerstverletzten?
Prof. Brinkmann: Wenn du das im Examen vor sechs Jahren gesagt hättest, dann wärste aber durchgefallen, du.
Prof. Brinkmann legt wütend den Hörer auf.
Es klopft an die Tür.
Prof. Brinkmann: Ja.
Dr. Schäfer kommt rein.
Dr. Schäfer: Na? Haben Sie den Kollegen Barthels erreicht?
Prof. Brinkmann: Ohja, eben.
Dr. Schäfer: Was sagt er?
Prof. Brinkmann: Was ist ein Daumen gegen einen Schwerstverletzten hat er gesagt, ja. Das sagt ein Schüler von mir.
Dr. Schäfer: Naja, wir können natürlich alle mal in diese Situation von Barthels kommen.
Prof. Brinkmann: Mir kommen gleich die Tränen. Jedes Unterlaufen des ärztlichen Standeskodex gilt als Nestbeschmutzung, nicht?
Dr. Schäfer: So habe ich das nicht gemeint.
Prof. Brinkmann: Jaja, ich weiß, ich weiß. Wofür sind wir haftpflichtversichert? Wofür? Wer gewinnt denn, wenn's nicht zur Schadensregulierung kommt? Doch nur die Versicherungen.
Dr. Schäfer: Nein, auch der Patient.
Prof. Brinkmann: Ach, unser Patient.
Dr. Schäfer: Nein nein, ich meine natürlich die Patienten in ihrer Gesamtheit. Ich verliere nicht das Vertrauen in die Ärzteschaft.
Prof. Brinkmann: Diese Argumente kenne ich. Die hängen mir zum Hals raus. Herr Schäfer, Sie wissen genau so gut, dass die Rechtssprechung weit über die Summe hinausgehen kann, die in der Haftpflichtpolice abgedeckt ist, nicht?
Dr. Schäfer: Das weiß ich.
Prof. Brinkmann: Eben. Und deshalb heißt es oft unerwartete Komplikationen statt der... der Kollege hat Mist gebaut.
Dr. Schäfer: Und wenn beides zusammen will?
Prof. Brinkmann: Sie machen wohl Witze, was?
Im OP.
Udo: Sie können jetzt weiter zunähen.
Udo verlässt das Operationsfeld.
Udo: Sehr gut. Ich gratuliere.
Dr. Katarina Gessner: Danke.
Udo geht in den Waschraum. Später gehen er und Dr. Katarina Gessner zusammen aus den OP.
Udo: Also so eine unproblematische Magenresektion wünsche ich mir öfters. Dabei wäre ich letzte Woche beinahe an so einem banalen Leistenbruch verzweifelt.
Dr. Katarina Gessner. 'Tschuldigung.
Udo und Dr. Katarina Gessner stehen vor dem schwarzen Brett.
Udo: Anfängerin sucht Tennispartner. Spielen Sie Tennis?
Dr. Katarina Gessner: So leidlich.
Udo: Dann können Sie sich doch melden.
Dr. Katarina Gessner: Kann ich nicht.
Udo: Warum nicht?
Dr. Katarina Gessner: Weil der Anschlag von mir ist.
Udo: Achso.
Dr. Katarina Gessner: Spielen Sie?
Udo: Naja, meine Rückhand ist eine einzige Katastrope.
Dr. Katarina Gessner: Angst zu verlieren?
Udo: Nö.
Auf dem Klinikflur trifft Pfleger Mischa auf Professor Brinkmann.
Mischa: Morgen, Herr Professor.
Prof. Brinkmann: Morgen, Mischa. Na? Was macht unser Pianist?
Mischa: Er will Dirigent werden, aber da hat er keine Chance. Der Studiengang ist total überlaufen. Stipendium kriegt er keins, Eltern sind mittellos und er hat zehn Jahr umsonst Klavier studiert. Er ist weit davon entfernt das zu packen, seelisch.
Prof. Brinkmann: Dirigent? Mensch, da fällt mir was ein. Sag' ihm, dass ich da eine Möglichkeit sehe... vielleicht für ein Stipendium.
Mischa: Mache ich, Herr Professor.
Im Schwesternzimmer läuft der Fernseher. Zu sehen ist Bodo Buderius.
Lernschwester Elke: Kommt er selber denn nicht zuschauen?
Mischa: Nee, er sagt er verkraftet das nicht.
Währenddessen im Chefarztzimmer. Auch dort läuft der Fernseher. Professor Brinkmann geht ans Telefon.
Prof. Brinkmann: Gustav? Hier ist Klaus.
Gustav Barthels: Klaus?
Prof. Brinkmann: Klaus Brinkmann, ja. Ja, stell' dir vor. Du, schalt' doch mal das zweite Programm ein, ja?
Gustav Barthels: Wozu denn?
Prof. Brinkmann: Frag' nicht, schalt' ein.
Gustav Barthels: Ja also gut. Wenn du's willst. So, ich habe eingeschaltet.
Prof. Brinkmann: Hörst du das?
Gustav Barthels: Ja, das lässt sich hören.
Prof. Brinkmann: Du, hör' mal zu, wenn's dir recht ist besuch' ich dich am Samstag.
Gustav Barthels: Ja, natürlich ist mir das recht. Du bist ja schon lange eingeladen. So, und jetzt... äh... jetzt halt' die Klappe. Ich will zuhören. Ja, wir sehen uns ja auch am Samstag.
Noch immer läuft der Fernseher im Schwesternzimmer. Bodo Buderius steht in der Tür und sieht zu. Das Klavierspiel ist zu Ende und alle klatschen. Mischa entdeckt Bodo Buderius.
Mischa: Bodo!
Mischa läuft Bodo Buderius nach.
Mischa: Bodo! Mensch, Bodo. Mach' doch keine Sachen. Großes Orchester dirigieren ist doch auch was. Oder?
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