Die Schwarzwaldklinik

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Die Schuldfrage (2)

 

 

Professor Brinkmann und Schwester Christa kommen in die Pension zurück.

Prof. Brinkmann: Dann sagte der Arzt kurz vor der Narkose: Darf's noch ein bisschen mehr von der Leber sein, Herr Fleischermeister?

Pensionswirt: Guten Abend Herr Professor. Guten Abend gnädige Frau. Sie möchten bitte gleich in ihrer Klinik anrufen.

Prof. Brinkmann: Ahso? Ja, und um was es sich handelt haben die nicht gesagt?

Pensionswirt: Nein, nur dass es sehr dringend ist.

Professor Brinkmann ruft in der "Schwarzwaldklinik" an.

Fräulein Meis: Guten Abend Herr Professor. Einen Moment bitte, ihr Sohn möchte sie gern sprechen.

Udo nimmt im Chefarztzimmer den Hörer ab.

Udo: Ja.

Prof. Brinkmann: Was ist los? Was gibt's?

Udo: Elena hatte einen schweren Autounfall.

Prof. Brinkmann: Wie schwer?

Udo: Sehr schwer. Sag' mal wo warst du denn? Ich versuch' dich seit heute Mittag zu erreichen. Bist du aus dem Hotel ausgezogen?

Prof. Brinkmann: Ja. Gib' mir eine kurze Diagnose.

Udo: Naja, schwerste unübersichtliche Verletzungen im Bauchraum, Atelektase im Lungenraum, Abbrüche an der Beckenschaufel.

Prof. Brinkmann: Ist Brösinger nicht gekommen?

Udo: Nein, der konnte nicht. Zwei Notoperationen.

Prof. Brinkmann: Und Schäfer?

Udo: Der liegt im Bett wegen Ischias.

Prof. Brinkmann: Heut' geht kein Zug mehr. Ich kann versuchen morgen früh eine Privatmaschine zu bekommen. Operierst du?

Udo: Nein. Aber vielleicht würdest du wenn du hier wärst.

Fräulein Meis kommt ins Zimmer.

Fräulein Meis: Professor Brösinger ist gerade eben eingetroffen.

Udo: Moment, ich höre gerade, dass Brösinger eingetroffen ist.

Prof. Brinkmann: Ist sie bei Bewusstsein?

Udo: Nein. Sie hat außerdem auch noch eine sehr schwere Gehirnerschütterung. Ohne die Herzmassage von Marker wäre sie wahrscheinlich gar nicht mehr am Leben. Er war zufällig am Unfallort. Soll ich dich anrufen wenn's was Neues gibt oder... willst du deinen Urlaub genießen?

Prof. Brinkmann: Ruf mich an.

Professor Brinkmann legt den Hörer auf.

Schwester Christa: Du musst zurück?

Prof. Brinkmann: Ja. Elena Bach. Autounfall.

Auf der Intensivstation in der "Schwarzwaldklinik".

Prof. Brösinger: Was haben sie ihr alles gegeben?

Udo: Hier ist alles eingetragen.

Prof. Brösinger: Ja, das hätte ich auch gemacht. Mehr Arterenol können wir nicht geben.

Udo: Die überschießenden Reaktionen aber...

Prof. Brösinger: Werden über Kurz oder Lang wahrscheinlich zum Exitus führen, ja.

Udo: Sie operieren nicht?

Prof. Brösinger: Nein, ein Narkoseschock würde sie umbringen.

Udo: Was dann?

Prof. Brösinger: Was dann ist 'ne gute Frage. Wir geben ihr Sauerstoff, Blut und Penicillin. Der liebe Gott wird ihr den Tod oder die Genesung geben. Ja, ich kann's natürlich auch umständlicher ausdrücken.

Dr. Wolters: Dass sie sich nicht angeschnallt hat. Sie hat sich sonst immer angeschnallt.

Professor Brinkmann verabschiedet sich von Schwester Christa und steigt ins Flugzeug.

Prof. Brinkmann (zum Piloten): Tag.

Professor Brinkmann fliegt zurück zur "Schwarzwaldklinik".

Auf der Intensivstation der "Schwarzwaldklinik". Elena Bach verstirbt. Udo ist bei ihr.

Wenig später trifft Professor Brinkmann ein.

Krankenschwester: Guten Tag Herr Professor.

Prof. Brinkmann: Tag.

Dr. Rens: Herr Professor.

Prof. Brinkmann: Na, wie geht's ihr?

Dr. Rens: Sie kommen leider zu spät. Embolie. Heute Morgen um Fünf. Die Verletzungen waren einfach zu schwer.

Professor Brinkmann geht ins Chefarztzimmer.

Fräulein Meis: Guten Tag Herr Professor.

Prof. Brinkmann: Tag.

Fräulein Meis: Sie haben's schon gehört?

Prof. Brinkmann: Jaja.

Udo kommt rein.

Fräulein Meis: Oh, bitte jetzt nicht Herr Doktor.

Udo: Tag Vater. Sie hat das Bewusstsein nicht wiedererlangt. Willst du die Aufnahmen sehen?

Udo hängt die Röntgenaufnahmen auf.

Udo: Hättest du operiert?

Prof. Brinkmann: Nein.

Udo: Also keine Vorwürfe.

Prof. Brinkmann: Bitte lass' mich jetzt allein.

Bei Professor Brinkmann zu Hause.

Käti: Etwas musst du doch essen. Eine Kleinigkeit wenigstens.

Prof. Brinkmann: Danke Käti.

Udo sitzt bei einer Tasse Tee. Käti setzt sich zu ihm.

Udo: Und? Was sagt er?

Käti: Nicht viel.

Udo: Ja, das kenn' ich. Die Taktik hat er angewandt vor zwölf Jahren als Mutter starb.

Käti: Taktik würde ich das aber nicht nennen.

Udo: Wie denn?

Käti: Erschütterung.

Udo: So kann man's auch nennen. Erst Mist bauen und dann schweigen. Der große, große Schweiger.

Käti: Mir mißfällt das.

Udo: Mir auch.

Käti: Nein, ich meine deinen Ton.

Professor Brinkmann hört nebenan dem Gespräch zu.

Udo: Du weißt nicht, was eine Doublette ist? Ich will's dir erklären, Käti. Das was er jetzt mit Elena gemacht hat entspricht genau dem was er vor zwölf Jahren mit Mutter gemacht hat. Erstens eine neue Frau, zweitens unerreichbar in einem anderen Hotel und drittens die große Trauerarie.

Käti: Ich weiß nicht, Udo. Was Frauen angeht musst du doch eigentlich ganz still sein.

Udo: Ich hab' meine Frauen immer hintereinander, nicht gleichzeitig wie er. Egal wieviele.

Käti: Hach, Du weißt ja nicht wie's damals war.

Udo: Oh doch, das weiß ich. Er war bei Elena Bach im Hotel. So wie er jetzt mit Schwester Christa in einem anderen Hotel war. Und wenn er...

Professor Brinkmann tritt ein.

Prof. Brinkmann: Warum sprichst du nicht weiter, Udo? Ich hab' zugehört.

Udo: Das freut mich. Sonst muss man ja immer nur dir zuhören. Also gut. Elena hatte innerhalb kurzer Zeit drei Informationen bekommen. Die erste: Du bist auf Sylt. Die zweite: Schwester Christa ist auf Sylt. Die dritte: Ihre Rückkehr in das Klinikum nach Karlsruhe ist ihr verbaut. Da ist sie mit Hundert gegen den Baum gefahren ohne angeschnallt zu sein.

Prof. Brinkmann: Ich bin dir zwar keine Rechenschaft schuldig, Udo, aber wenn du mir die Schuld in die Schuhe schieben willst muss ich dir sagen, dass Elena über mich und Christa Bescheid wusste... und es akzeptiert hat.

Udo: Was für eine grandiose Ausrede. Weißt du, wie du's nennst, wenn ich so argumentieren würde? Schutzbehauptung. Elena kann nicht mehr sagen, dass es anders war.

Prof. Brinkmann: Aber du kannst es, nicht?

Käti: Mein Gott, als ob nicht schon alles schlimm genug wär.

Udo: Ich dachte es beruhe auf Gerechtigkeit, dass du mir nicht vorwirfst nicht operiert zu haben. Ich war mir da gar nicht so ganz sicher. Vor allem glaubte ich, dass du ihren Tod hättest vielleicht verhindern können. Aber nein, da korrigierst du mich großmütig, sprichst mich frei von Schuld und fachlichen Unzulänglichkeiten. Und warum? Warum? Weil es dir in den Kram passt. Du hast ja jetzt Christa, so wie du vor zwölf Jahren Elena hattest als Mama starb.

Käti: Udo, bitte!

Prof. Brinkmann: Lass nur, Käti. Unsere Jugend die kennt sich aus. Während wir Alten nur miese Halunken sind.

Udo: Hach, such ein anderes Wort dafür. Oder wie würdest du's nennen, wenn man dir bei dieser Gelegenheit auch noch die Freundin wegschnappt. Du nimmst was du willst, verstößt was du nicht mehr brauchst. Und die anderen halten die Klappe, was?

Prof. Brinkmann: Du sprichst doch wohl von dir, nicht?

Udo: Kommt jetzt Elena auf den Flügel neben Mama?

Käti: Nein, nein, nein, nein, hört auf. Es ist schrecklich wie ihr euch benehmt.

Prof. Brinkmann: Dank dir schön, Käti.

Udo: Ist er nicht großartig? Entschuldigt sich sofort. Das macht ihm so leicht keiner nach.

Käti: Du jedenfalls nicht. Du entschuldigst dich für gar nichts. Du kommst nicht einmal auf den Gedanken, dass du gelegentlich jemandem unrecht tun könntest.

Udo verlässt das Zimmer.

Käti: Entschuldigung. Vielleicht war's falsch, dass ich mich eingemischt hab'.

Prof. Brinkmann: Nein, nein, das war richtig. Weißt du, jetzt hat er wenigstens keine Blähungen mehr, mmmh? So eine Auseinandersetzung kann manchmal sogar einen Psychoanalytiker ersetzen, Käti.

Käti: Aha. Na, ich weiß nicht. Ich halt's jedenfalls für unangebracht sich so zu streiten, wenn gerade ein nahestehender Mensch gestorben ist.

Prof. Brinkmann: Sei nachsichtig mit uns, Käti. Besonders mit ihm. Elena war seine einzige Hoffnung was Christa betrifft.

Käti: Muss ich das verstehen?

Prof. Brinkmann: Du, das ist doch ganz einfach. Er hatte gehofft Elena und ich, wir... wir bleiben zusammen, so dass er sich noch eine Chance auf Christa ausrechnen konnte. Er hat's nicht verschmerzt, dass Christa mit ihm Schluss gemacht hat.

Käti: Na, wenn er mit einer anderen Halbnackten im Garten rumschmust.

Prof. Brinkmann: Tja, Käti, wer kennt sich da aus?

Professor Brinkmann und Käti sitzen im Garten. Das Telefon klingelt im Haus. 

Käti: Bei Professor Brinkmann.

Schwester Christa: Ja, hier ist Christa. Guten Tag, Käti. Ich wollte nur mal fragen wie es Klaus geht, weil er sich gar nicht mehr meldet.

Käti: Die Frau Dr. Bach ist tot, Christa. Gestern früh.

Schwester Christa: Oh Gott, das ist ja schrecklich. Meinen sie ob er mich sprechen will?

Käti: Na, ich weiß nicht. Er hatte gestern Krach mit Udo. Schlimm sag' ich ihnen. Seitdem schweigt er, ist nicht mehr ansprechbar.

Schwester Christa: Ich überlege schon die ganze Zeit ob ich meinen Urlaub abbrechen soll. Ober er mich braucht oder... oder ob er meine Anwesenheit nur als eine Belastung empfinden würde.

Prof. Brinkmann: Moment, Christa.

Käti geht zum Fenster.

Käti: Klaus! Klaus! Christa ist am Telefon. Kommst du mal.

Professor Brinkmann geht ins Haus.

Käti geht zurück zum Telefon.

Käti: Moment mal, Christa, er kommt.

Schwester Christa: Danke.

Prof. Brinkmann: Christa? Grüß dich. Du entschuldige, dass ich dich noch nicht angerufen hab'.

Schwester Christa: Du bist ziemlich fertig, was?

Prof. Brinkmann: Macht dir der Hund sehr zu schaffen?

Schwester Christa: Der Hund... ach Klaus, zu schaffen macht mir die Frage, ob ich zurückkommen soll.

Prof. Brinkmann: Nein nein.

Schwester Christa: Bist du sicher?

Prof. Brinkmann: Ja. Schau, du hast deinen Urlaub verdient. Und mit mir ist im Moment nicht viel anzufangen.

Schwester Christa: Ach Klaus, ich will doch nichts mit dir anfangen. Ob du mich in deiner jetzigen Situation in deiner Nähe haben willst, das will ich wissen.

Prof. Brinkmann: Weißt du, ich sitz' am liebsten alleine im Garten und denke nach, obwohl es gar nichts nachzudenken gibt.

Schwester Christa: Na gut.

Prof. Brinkmann: Ich hab's noch nicht verkraftet.

Schwester Christa: Hach ja, das ist doch klar. Ich erwarte doch nicht von dir, dass du alles wegsteckst und vergnügt zur Tagesordnung übergehst nur weil ich zurückkomme. Aber... ein Wort von dir und ich bin da.

Prof. Brinkmann: Hör' zu, du hast deinen Urlaub verdient. Es muss wirklich nicht sein. Freu dich über diese paar Tage dort oben die du noch hast... und mach dir keine Sorgen um mich.

Schwester Christa: Ja. Also dann.

Prof. Brinkmann: Also dann. Dank dir für deinen Anruf. Es wird schon wieder.

Schwester Christa: Ja.

Christa legt besorgt den Hörer auf.

Klaus kommt zurück in den Garten.

Käti: Hast du das gelesen?

Prof. Brinkmann: Was denn?

Käti: Seite Drei.

Prof. Brinkmann: Nein.

Käti: Der Motorradfahrer, der verbotswidrig auf die falsche Fahrbahnseite geriet und dadurch den Tod der Ärztin Dr. Elena Bach verursachte, ist ermittelt. Andere Verkehrsteilnehmer haben sein Kennzeichen erkannt.

Prof. Brinkmann: Davon wird sie auch nicht mehr lebendig, Käti.

Käti: Weil Udo so etwas andeutete als habe Elena absichtlich...

Prof. Brinkmann: Elena hat sich nicht umbringen wollen.

Käti: Kommt Christa?

Prof. Brinkmann: Nein.

Käti: Nein?

Prof. Brinkmann: Ich kann das nicht von ihr verlangen.

Käti: Verlangen? Das ist kein Opfer für eine Frau, wenn sie...

Prof. Brinkmann: Komm' Käti, nicht, nicht.

Schwester Christa geht mit Jerry am Strand spazieren. In Gedanken geht sie nochmal das durch, was Professor Brinkmann ihr sagte:

"Hier möcht' ich ewig mit dir sitzen. Da gibt's doch ein Wort. Wie heißt das?"

Schwester Christa: Glück.

 

 

 

 

 

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