Die Schwarzwaldklinik

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Talwirtschaften

 

 

Unter den Städten und Dörfern Südbadens mit ihrer renomierten Gastronomie sticht unbestritten das Glottertal mit seinen 20 Gasthäusern bei nur etwa 3000 Einwohnern heraus. Ursachen dafür gibt es viele. Dass die Zahl der Gasthöfe schon immer verhältnismäßig höher als in anderen vergleichbaren Gemeinden war, liegt sicherlich auch daran, dass das Glottertal bis 1970 aus 4 Gemeinden bestand, die alle ihre alten Gemeindewirtshäuser hatten. Ausserdem gehörte zum Glotterbad schon seit alter Zeit die "Badwirtschaft", so dass schon relativ lange 5 Gasthäuser auf engem Raum bestanden. Aber wie kam es überhaupt zur Entstehung von Gasthäusern? Welche Funktion hatten sie?

 

Die alten Talwirtschaften haben ihren Ursprung in der Entstehung der Gemeinde überhaupt. In früher Zeit traf man sich auch immer an ganz bestimmten Plätzen in den verschiedenen Herrschaften, um Gerichtssitzungen abzuhalten. Ganz selbstverständlich gehörte zu diesen Sitzungen dazu, dass etwas zu Essen und Trinken gereicht wurde. Zunächst fanden die Gerichte im Freien unter der Linde, oder auf dem Kirchplatz statt. Später wollten man nicht mehr im Freien Gericht halten. Es wurden Räume eingerichtet, die groß genug waren, um die Teilnehmer der Sitzungen aufnehmen zu können und auch über das entsprechende Mobiliar und die Kücheneinrichtung verfügten. Daraufhin wurde der Platz instutionalisiert und zur Wirtschaft erhoben.

 

So kam es im Tal zur Entstehung der Gemeindewirtshäuser: das "Kreuz" im Föhrental, der "Engel" im Unterglottertal, der "Hirschen" im Ohrensbach und die "Sonne" im Oberglottertal. Allerdings konnte diese ältesten Wirtshäuser früher nie nur als Gaststätten existieren. Noch vor über 100 Jahren, als im März 1895 Hermann Strecker den "Hirschen" im Ohrensbach übernahm, war die Wirtschaft nebensächlich. Strecker hatten den "Hirschen" vor allem wegen seiner Landwirtschat gekauft und führte die Gaststätte eher nebenbei. Er fühlte sich in erster Linie als Bauer, erst in zweiter Linie als Wirt. Ausserdem war im "Hirschen" noch bis ins 20. Jahrhundert hinein im 1. Stock das vergitterte Ratszimmer untergebracht. Ebenso gehörte zum "Kreuz" im Föhrental eine ausgedehnte Landwirtschaft und auch dieses Gasthaus hatte die Funktion des Rathauses für diese Gemeinde. Aber weitaus wichtiger war, dass das "Kreuz"gleichzeitig die Föhrentaler Mühle war. Später kam eine Sägemühle dazu. Auch zur "Sonne" im Oberglottertal gehörte neben einer ausgedehnten Landwirtschaft eine Mühle und eine Sägemühle. Als der "Engel" im Unterglottertal zu Beginn des 19. Jahrhunderts von Georg Fräßle übernommen wurde, stand ebenfalls die Landwirtschaft im Vordergrund. Auch Fräßle hatte zuvor als ehemaliger Badburenhof-Besitzer keine Erfahrungen mit der Gastronomie gemacht. Deshalb verpachtete er die Wirtschaf.

 

Einzig die Badwirtschaft im Glotterbad, das frühere Luterbad, hatte von Anfang an vor allem die Funktion, die Gäste des Bades zu versorgen. Im Glotterbad stand schon immer der Gast im Mittelpunkt. Schon im 17. Jahrhundert soll der Weinumsatz aller Wirte aus der Herrschaft Schwarzenberg weit hinter dem der Glottertäler zurückgelegen sein. Den größten Anteil an diesem "Rekord" hatte sicherlich die durstige Gästeschar im damals sehr bekannten Glotterbad. Die dazugehörige Landwirtschaft war dagegen zweitrangig.

 

Im Laufe des 19. Jahrhunderts kam es zur Gründung weiterer Wirtschaften im Tal. Eine Ursache hierfür war der Anstieg der Bevölkerung vor allem zum Ende des 19. Jahrhunderts. Es lohnte sich jetzt, eine Wirtschaft zu führen. In dieser Zeit wurden im Glottertal der "Adler", die "Krone", die "Linde" und das "Busch" gegründet.

 

Günstig war aber auch die Nähe zur Universitätsstadt Freiburg. Generationen Freiburger Studenten verbrachten Teile ihrer Freizeit in einer der Glottertäler Gasthäuser. Vor allem der "Adler", der "Hirschen" und auch der "Engel" waren beliebte Treffpunkte. Auch heute noch stammen der größte Teil der Gäste, die Abend für Abend die Glottertäler Gasthöfe besuchen aus der näheren Umgebung, vor allem aus der Stadt Freiburg. Man gönnt sich einen Abend ausserhalb der Hektik der Stadt, genießt allein oder mit Freunden einen guten Tropfen, ein exquisites Menü oder eine typisch badische Spezialität, wie sie die Großmutter noch selbst zubereitete. Dass die Glottertäler Gastronomie vor allem von den Gästen aus der Umgebung lebt, wird daraus ersichtlich, dass die Gaststätten auch ausserhalb der Saison gut besucht werden, auch ohne die Feriengäste des Sommers kommen die Wirte auf ihre Kosten.

 

Mit dem Aufkommen des Fremdenverkehrs, der in den 1930er Jahren mit den vielfältigen Aktivitäten Ernst Rossmys begann und sich nach dem Kriege vor allem Dank der Gründung eines Verkehrsvereins im Jahre 1951 verstärkte, kam eine Vielzahl kleinerer Cafés, Wein- und Vesperstuben aber auch einige größere Gasthöfe und Hotels hinzu. Im Oberglottertal brachte die Nähe zum Glotterbad, das als "Schwarzwaldklinik" zum Fernsehstar avancierte, zum Ende der 1980er Jahre eine völlig neue Art von Tourismus mit sich: Gäste, die mit dem Bus oder mit dem Auto anreisten und sich nur sehr kurzzeitig im Glottertal aufhalten wollten. Nach dem Besuch der "Schwarzwaldklinik" hatte man nur noch Zeit für einen kurzen Imbiss, eine Tasse Kaffee und ein obligatorisches Stück "Schwarzwälder Kirschtorte". Ganz in der Nähe des Glotterbades wurde in dieser Zeit aus dem Friseursalon Schill ein Café mit Souvenirgeschäft, wurde das kleine "Café Glotterstüble" erheblich mit einem Wintergarten erweitert.

 

Auch der über die Grenzen des Tales bekannte Glotertäler Wein half zusammen mit dem immer wichtiger werdenden Fremdenverkehr dazu, dass es zu dieser erstaunlichen Vielzahl an Wirtschaften im Glottertal kam.

 

Eine Besonderheit bildeten die "Straußenwirtschaften" im Glottertal. In den 1930er Jahren gingen viele kleine Winzer, die ihren Wein lieber selbst ausbauten, als die Trauben zu Niedrigstpreisen an einen der einheimischen Wirte oder an einen auswärtigen Weinhändler zu verkaufen, aus purer wirtschaftlicher Not dazu über, in ihrer "Stube" Gäste zu verköstigen. Die Weine, die je nach dem Geschick des Winzers, sehr unterschiedlich gelungen waren, wurden hier zusammen mit einfachen Gerichten gereicht. Die Erlöse dieser Straußen waren aber sehr gering, so dass sie schon bald wieder aufgegeben wurden.

 

Lehrer Kunz, in den 1930er Jahren im Tal als Pädagoge und in seiner Freizeit als Poet tätig, schildert in einem seiner Gedichte den Gang durchs Tal vorbei an all den Wirtschaften. Es fällt auf, dass Lehrer Kunz in seinem Gedicht eine sehr geschönte Sicht der Realität wiedergibt. Gerade in den 1930er Jahren, als dieses Gedicht entstanden ist, waren die Zustände in den Wirtschaften beileibe nicht immer friedlich. Alkoholbedingte Streitigkeiten, die in Schlägereien mit erheblichen Verletzungen für die Beteiligten enden konnten, waren, wie Angestellte der Gasthäuser jener Zeit heute noch berichten, nicht selten. Auch zeugen die Wechsel bei den Pächtern, die auf einigen Wirtschaften sehr häufig waren, so zum Beispiel in der "Krone", davon, dass es nicht leicht gewesen ist, als Wirt zu existieren. Weltwirtschaftskrise, hohe Arbeitslosigkeit und allgemeine wirtschaftliche Not der 1920er und 1930er Jahre machten den Wirten im Tal sehr zu schaffen. Manche Wirtschaft überlebte die schweren Zeiten nur unter großen Opfern der Besitzer und Pächter.

 

Beim Lesen der einfachen Verse fällt auf, dass sehr viele Wirte ein zusätzliches berufliches Standbein hatten. Der Adlerwirt reparierte nebenbei Autos, Engelwirt Linder ist Metzger, Koch und Händler, der Sonnenwirt hat eine Mühle. Im "Hirschen" trafen sich die Städter, gemeint sind die Freiburger Bürger, die schon immer gerne die Gasthäuser im Tal frequentierten, ansonsten gibt er den "Touristen" Tipps, wo sie überall den Glottertäler Wein kosten sollten, bzw. wo sie noch gut und billig essen könnten.

 

 

 

 

 

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