Religiöse Bräuche
Noch im 19. Jahrhundert war das Jahr durchzogen von religiösen Bräuchen und Volkssitten, von denen heute nur noch einige vorhanden sind. In der Neujahrsnacht zogen die Kinder von Haus zu Haus, um das Neujahr anzusingen, ebenso an Dreikönig. Da sagten sie dann ihre Sprüchlein, worin sie den Hausbewohnern alles mögliche Gute anwünschten und wofür sich dann die Bäuerin gerne erkenntlich zeigte.
Am Dreikönigstag und am Dreifaltigkeitssonntag ließ man Salz weihen. Ein wenig davon gab man daheim jedem Stück Vieh, und wenn eine Kuh kälbelte, so miste man davon in die Tränke. Bevor das Vieh im Frühjahr zum ersten Mal auf die Weide getrieben wurde, bekam jedes Tier ein Stück Brot mit geweihtem Salz. Der Aberglaube schrieb diesem "gewihten" Salz auch alle möglichen wunderbaren Wirkungen zu, dass es z.B. gegen die Geister schützte, dass es aufbewahrtes Geld festhalte usw.
Am St. Antoniustag, dem 17. Januar, hielt man den sogenannten "Sau-Antoni". An diesem Tag mussten die "Völcher", meistens die Mägde, "fahrten" für die Schweine. Sie besuchten die hl. Messe und warfen in den bereitgestellten Opferstock einen Geldbetrag. Dieses Beten für die Gesundheit der Schweine wird verständlich, wenn man bedenkt, dass Verluste im Schweinestall durch Seuchen für die Menschen Not und Hunger bedeuteten. An Mariä Lichtmeß, dem 2. Februar, ließ man Tauf- und Sterbekerzen sowie Wachsstöcke weihen, die man zu Hause beim Rosenkranzgebet anzündete und auch in die Kirche mitbrachte, wo es noch kein Licht gab. Diese Wachsstöcke zündete man auch an, wenn ein Gewitter heranzog und betete vor der geweihten Kerze den Rosenkranz, bis das "Wetter" vorbei war. Zugleich war Mariä Lichtmeß der Tag, an dem die ruhige Winterzeit zu Ende ging. Bekannt war der Spruch: "Mariä Lichtmeß, bi Tag z'Nocht eß, s'spinne vergeß", was soviel bedeutete wie: die Tage werden un wieder länger, es kann wieder mehr draussen gearbeitet werden, die reine Winterarbeit und das Spinnen in der Stube ist vorbei, es geht dem Frühjahr entgegen.
Am den nächsten Tag, den 3. Februar, fiel das Patroziniumsfest der Glottertäler, das St. Blasiusfest. Noch im auslaufenden 19. Jahrhundert "pfadete" man in der Bläsis-Oktav, d.h. die Bauersfamilien ließen für sich und den Hof beten. Deshalb schickten sie Verwandte oder auch ärmere Leute aus dem Ort in die Kirche, um in den Anliegen des Hofes drei Rosenkränze zu beten. Die Beterinnen knieten sich vor der Statue des hl. Blasius nieder und legten die Gaben des Hofes, z.B. einen Laib Brot mit einer eingesteckten Silbermünze, Eier, Butter oder Speck während des Betens auf einen Zinnteller zu Füßen des Heiligen nieder. Nach Verrichtung der Gebete durfte die Beterin die Gaben mit nach Hause nehmen. An diesen Tagen war die Pfarrkirche fast immer voller betenden Menschen.
In der Bläsis-Oktav fiel das Fest der hl. Agatha (5. Februar). Zunächst ging am Morgen dieses Tages ein Familienmitglied in die Kirche und ließ das Agathabrot weihen. Ganze Körbe voll Brot wurden ins Gotteshaus gebracht. Daheim bekam dann jeder Hausbewohner und auch jedes Vieh einen Teil davon. Den Rest hob man auf im Schrank. Der Aberglaube sagte dazu: Wenn dann das Agathabrot anfängt zu schimmeln, so muss jemand dieses Jahr sterben im Haus. Am Abend des Agathatages wurden drei Rosenkränze gebetet. Den ersten betete die Untermagd und das "Maidle" in der Küche, den zweiten die Obermagd und die anderen in der Stube, den dritten der Futterer und der Knecht im Stall. Man erbat die Fürbitte der hl. Agatha mit den Worten: "Wer weiss, dass eine Vielzahl der Höfe im Tal durch Feuer teilweise mehrfach zerstört wurden und wie oft die Menschen Hunger litten, versteht diese Bitten.
Am Palmsonntag zog man in Prozession um die Kirche, wobei von jedem Hof und Haus ein Junge oder ein Taglöhner einen Palmen trug. Einige banden auch drei "häselne" Ruten, die in eine zusammengewachsen waren, in die Palmen. Diese ließen sie weihen und trieben damit zum ersten Mal das Vieh aus, gleichsam im Namen des einen drei persönlichen Gottes, den die Rute symbolisieren sollte. Nach dem Gottesdienst trug man die Palmen wieder heim und band sie in der Nähe des Hauses an einen Baum oder steckte sie zum Speicherfenster hinaus. Wenn dann das erste Gewitter aufzog, holte der Träger den Palmen herunter und trug in dreimal unter Gebet ums Haus herum. Ein Stück des Palmens warf man dann ins Herdfeuer, um das Haus vor Feuersgefahr zu bewahren. Einige Palmzweige wurden auch in den Herrgottswinkel gestellt und im Stall aufgehängt.
Am Karsamstag wurde in der Frühe auf dem Kirchplatz das Osterfeuer entzündet und vom Pfarrer geweiht. Dann kamen die Buben und hielten die Schwämme, die sie im Sommer von den Bäumen gesammelt hatten, an einem Stock ins Feuer, bis diese glühten. Dann machten sie sich mit den Schwämmen auf den Heimweg. Unterwegs kehrten sie noch da und dort bei Bekannten ein, wo sie ein kleines Stück vom Schwamm abbrachen und in den Herd warfen, wofür allemal eine kleine Belohnung abfiel. Daheim wurde der Osterschwamm dann geteilt. Ein Teil kam in den Backofen, der andere Teil in den Stubenofen und ein Teil in den Küchenherd. Der Rest wurde aufgehoben. Wenn dann ein Donnerwetter entstand, schnitt man ein Stück davon ab und legte es ins Feuer, damit der Blitz nicht ins Haus schlagen sollte. Am Ostertag holte man in der Kirche das neu geweihte Wasser (Ostertauf). Zunächst wurden damit die Zimmer und Kammern gesegnet und die Weihwasserkessele aufgefüllt. Auch in die Ställe wurde Weihwasser "gespritzt". An einem der folgenden Tage ging man dann über die Felder, und segnete auch diese mit dem Weihwasser, um sie so unter Gottes Segen zu stellen.
Der Advent war eine Zeit des Rosenkranzgebetes. Das "Nister" in der Hand knieten die Familienangehörigen auf dem Stubenboden nieder. Der Vater übernahm die Gebetsführung. Das Dunkel der Stube erhielt nur wenig Licht von der Kerze des Wachsstocks. Nur gebrechliche Familienangehörige und die Mutter nahmen auf der Ofenbank Platz. Sie hatte dafür zu sorgen, dass die Kleinen nicht zu sehr in das Gebetsprogramm eingriffen und die großen Kinder auch andächtig mitbeteten.
Mancher Hof besaß eine eigene Kapelle oder eine Glocke auf dem Dachstuhl. Von diesen Höfen war morgens, mittags und abends das Betzeitglöcklein zu hören. Wenn es läutete, hielten die Leute auf den Feldern inne und beteten den "Engel des Herrn". Überhaupt begleitete das Gebet den Alltag. Kein Essen wurde eingenommen, bevor nicht das Tischgebet gesprochen war. Bevor man einen Laib Brot anschnitt, wurde dieser zuerst mit drei Kreuzzeichen bezeichnet. Beim Melken war es auf vielen Höfen üblich, dass die Mags im Takt des Melkens mit lauter Stimme folgendes Gebet aufsagte oder sang:
O du mein lieber Herr Jesu Christ,
behüt Gott alles, was lieb ist.
Behüt Gott: Haus und Hof,
Hab und Guet. Lüt und Vieh,
und alles, was lieb ist.
Behüt sie Gott der Vater,
behüt sie Gott der Sohn,
behüt sie Gott der hl. Geist. Amen.
Die allerheiligste Dreifaltigkeit. Amen.
Behüts in Gottes Namen!
Ein Zeichen echter Zusammengehörigkeit in Freud und Leid war das Wachen bei einem Todesfall. Der Tote wurde in der Stube aufgebahrt. In den Nächten zwischen dem Tod und der Beerdigung kamen dann die Nachbarn zusammen, um bei dem Verstorbenen zu wachen. Dabei versammelten sie sich um den aufgebahrten Toten und beteten mit Unterbrechungen drei Rosenkränze. Dazwischen wurde gegessen und getrunken und auch besprochen, wie es weitergehen konnte. Damit konnte der betroffenen Familie manche Hilfe angeboten und manche Sorgen genommen werden. Am Beerdigungstag wurde der Sarg mit dem Verstorbenen von einem Nachbarn mit dem Pferdefuhrwerk zum Friedhof gefahren, während der Leichenzug hinter dem Fuhrwerk herging und betete.
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