Naturheilanstalt Glotterbad
Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich das Glotterabd zu einer ausgesprochenen Naturheilanstalt. Nach einer Beschreibung des Amtbezirks Waldkirch von 1864 wurde die Heilkräfte des Badwassers über die von Badenweiler gestellt. Das Wasser sei wirksam gegen "Gelbsucht, Wassersucht, Gelenksteifigkeit, Nierenstein, rheumatische und gastritische Übel usw". Das Bad sollte nach einem Bericht der Freiburger Zeitung aus dem Jahre 1824 sich einer Frequenz erfreuen, die nächst Baden-Baden wohl die stärkste aller badischen Quellen sei. Die Badgäste hielten das Badwasser für das Allheilmittel. Man aß rein vegetarisch, kam zu den Mahlzeiten in Sandalen und hemdsärmelig, hielt sich stundenlang in den Luft- und Sonnenbädern und auch noch mehrere Stunden im Wasser auf.
Auch unter dem damaligen Badwirt Ehrlacher nahmen die Bader ihre Bäder immer noch in hölzernen Wannen ein, die mit erwärmtem Wasser gefüllt wurden, mit Holzbrettern zugedeckt, die nur für den Hals der Badenden einen Ausschnitt freiließen.
Ignaz Speckle, letzter Abt von St. Peter, besuchte das Glotterabd zwischen 1806 und 1815 acht mal und beschrieb die Einrichtung des Bades als unbequem und wenig einladend. Ein weiterer heikler Punkt waren um 1800 die Verkehsverhältnisse. Vom Schwarzwald her kam man nur beschwerlich über den sogenannten Rohrweg in das Glottertal, die Straße talaufwärts war aber in einem noch schlechteren Zustand. Von 1804 bis 1814 schwebte deshalb ein Streit zwischen den Glottertalgemeinden, Heuweiler und der zuständigen Bezirksbehörde in Waldkirch um die Wiederherstellung der Straße und ihre Unterhaltung. Keiner wollte die Kosten übernehmen. Da aber die Straße eine wichtige überörtliche Verbindung in das Glottertal darstellte, eine sogenannte "Vizinalstraße", wurden die Gemeinden amtlicherseits zur Instandsetzung der Straße verdonnert, ja man ordnete sogar eine Verbreiterung wegen des regen Verkehrs ins Bad an.
Wie ein Aufenthalt im Glotterabd für den Patienten aussah, das schildert ein Bericht des ehemaligen Landeskommisär in Südbaden, Max Föhrenbach, der 1863 das Glotterbad besuchte:
"Das in Oberglottertal abseits der Talstraße am Südabhang des Kandels gelegene kleine Bad, an dessen Stelle inzwischen eine große moderne Kuranstalt getreten ist, gehörte zu den sogenannten Bauernbädern, wie solche im Oberland zahlreich bestanden, war jedoch von besserer Art und gut geführt. Was mein Vater besonders anzog, war die reizvoll idyllische Lage des von Schwarwaldpoesie umgebenen Anwesens, die Ruhe des vom Verkehr wenig berührten Ortes, die Einfachheit und Sauberkeit der Wirtschaft, in der noch Mägde in Volkstracht die Gäste bedienten. Wem dieselben blaue Forellen und feurigen Glottertäler vorgesetzt hatten, der kam gerne wieder.
Was jenen Besuch aber für mich zu einer bleibenden Erinnerung gestaltet hat, war der Anblick einer Regenerationskur, von deren Existenz ich keine Ahnung hatte. Unter Führung des Badeknechts gelangte ich u.a. in einen Raum, der ein halbes Dutzend hölzerne, mit Deckeln geschlossene Badewannen enthielt. Jeder Deckel hatte am oberen Ende einen Ausschnitt, groß genug, um dem Badenden zu gestatten, Kopf und Hände herauszustrecken. Sämtliche Wannen waren besetzt, aus dem Deckel ragte der Kopf eines Badenden hervor, und vor jedem dieser Köpfe stand auf dem Deckel ein Schoppen Rotwein, dem fleißig zugesprochen wurde. Die bäuerliche Badegesellschaft war in bester Stimmung und behauptete steif und fest, sich von allen Leibesübeln befreit und völlig verjüngt zu fühlen. Daß dieses Wonnengefühl mit dem Weinkonsum zunahm, war unverkennbar.
Nun erst erfuhr ich, daß es in der Gegend herkömmlich sei, zwecks "Erneuerung des Geblüts" eine sogenannte Frühjahrskur zu machen, in der Weise, daß man zunächqt im heißen Bade das Blut nach außen treibe, es dann durch Schröpfen aus der Haut, oder mit dem Schnappmesser aus der Ader hole und hierauf durch Rotwein wieder ersetze, der frisches Blut in die rostigen Schläuche bringe.
Meine fröhlichen Wannenbewohner hatten, als ich eintrat, das Schröpfen gerade überstanden und waren damit beschäftigt, ihr Geblüt zu erneuern.
Die Einfachheit und augenscheinliche Wirksamkeit dieser Verjüngungsmethode verfehlte nicht, meine aufrichtige Bewunderung zu erregen, nur wollte mir scheinen, als ob die Ausgleichungen des Blutverlustes durch Wein noch einer genaueren Regulierung bedürfte, da ich später meine werten Badebekannten schwankenden Schrittes heimwärts ziehen sah. Entweder hatten sie zu wenig oder zu viel des ausgleichenden Weines in sich, vielleicht auch eignet sich der Glottertäler nicht besonders zur Herstellung des Gleichgewichts.
Letzteres wurde auch von Leuten behauptet, die nicht geschröpft worden waren, wenigstens nicht vom Bader.
Damals ging das biedere Talvolk noch in Tracht. Die Frauen insbesondere trugen hohe, gelblackierte Strohüte, hellblaue Jacken, dunkle Röcke, bunte, seidene Halstücher und Schürzen.
Die Häuser waren noch zumeist mit Stroh bedeckt, besaßen in der Mehrzahl noch keine Kamine, sondern sogenannte Hurten (Rauchlöcher), und wenn an den Winterabenden der Bauer mit Weib und Kind, mit Knechten und Mägden in der Stube um den großen Kachelofen saß, diente noch der in eine eißerne Gabel gesteckte Kienspan zur Beleuchtung."
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