Die Schwarzwaldklinik

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Die Glottertäler Nachtigallen

 

Wer waren die Glottertäler Nachtigallen? Hierzu Kößler:

"Nach dem 1. Weltkrieg soll in Glottertal noch das sog. 'Bänkelsingen' üblich gewesen sein. Man sang, draußen vor der Haustüre, auf einer Bank sitzend, im Winter in der Stube. Auf dem Bänkel des Bernethansenhofes wurde besser und öfter gesungen als in anderen Höfen und Häusern. Dort lernten die Kinder von der Bäuerin Lieder, die sie aus dem Suggental, wo sie beheimatet war, mitgebracht hatte. Ihr Vater, Adams-Hof-Bauer, hatte selbst nicht nur gerne gesungen, sondern auch Bandoneon und Klarinette gespielt (1846 geboren). Viele seiner Lieder stammten aus der Schweiz, wohin einer seiner Knechte, der Wagner Kapp, ein Glottertäler, gezogen war. Diesem hatte der Bauer aufgetragen, ihm Texte und Noten von Schweizer Liedern zuzusenden. Da der Knecht dem Auftrag des Bauern nachkam, sang man diese Lieder auf dem Adamshof im Suggental und schließlich auf dem Bernet-Hansen-Hof im Glottertal.

Die drei Mädchen des Bernethansenhofes sangen schon zu ihrer Schulzeit nicht nur zweistimmig, sondern auch dreistimmig. Man lud sie ein, im Glotterbad den Gästen vorzusingen. Als "Nachtigallen" aus dem Glottertal durften sie schon bald an einer Fremdenverkehrsveranstaltung in Königsberg mitwirken."

 

Die Glottertäler Nachtigallen bestanden um 1935 nicht mehr aus drei Geschwistern. Die Sängerinnen wurden von Lehrer Bitsch, der die Gruppe nun betreute, aus den Kirchenchorsängern ausgewählt. Damit bildete sich das Gesangstrio, das über das Glottertal hinaus bekannt wurde.

Die Nachtigallen lernten bei Bitsch ihre Stimme richtig gebrauchen, wurden mit den Ausspracheregeln vertraut und wussten die von Bitsch ausgewählten Lieder zu gestalten. Lehrer Bitsch war ein großer Förderer des Gesangs. Kößler schreibt über ihn:

"Im August 1926 wurde Lehrer J. Bitsch Chorleiter und Organist im Glottertal. Seine musikalische Fähigkeit wirkte sich äußerst fruchtbar aus. Er bewies, daß musikalische Begabung und Bildung und pädagogisches Geschick auch auf dem Dorfe überdurchschnittliche Leistungen hervorbringen können. Er widmete sich der profanen Musik mit der gleichen Intensität wie der Kirchenmusik. Sein Wirkungsbereich umfaßte Schule, Gesangsverein, Kirchenchor und ein Gesangstrio (die Glottertäler Nachtigallen)."

 

Als Leiter des Kirchenchores suchte er sich die begabtesten Sängerinnen aus und ließ sie als Trachtenmädchen bei den Glottertäler Nachtigallen auftreten. Von deren großen Erfolgen im In- und Ausland werden wir noch hören.

"Gehorsam wurde Bitsch 1880 in Überkimmen im Elsaß (Kreis Altkirch). Er besuchte das Gymnasium in Gillesheim und danach das Lehrerseminar. Etwa 1901 legte er die erste Lehrerprüfung ab. Nachdem Bitsch als Lehrer an mehreren Orten Chorleiter und Organist war, kam er 1919 nach Freiburg und übernahm dort die Leitung des gemischten Chores "Liederball", des Männerschors "Zäringia" und des Gesangsvereins "Fidelitas". Kirchenmusik betrieb er in Freiburg bis zu seiner Versetzung ins Glottertal nur als Sänger im "St. Martins-Kirchenchor" unter Franz Phillipp. Dort dürfte Bitsch wertvolle Anregungen erhalten haben."

 

Bitsch starb 1947. Er konnte jedoch seit 1942 aus gesundheitlichen Gründen den Chorleiter- und Organistendienst nicht mehr ausüben.

"Das Liedgut der Nachtigallen umfaßte nur Volkslieder, die fast alle dreistimmig gesungen wurden. Soweit kein dreistimmiger Satz zu finden war, schrieb ihn Bitsch selbst. Im Laufe der Jahre wuchs die Zahl ihrer Lieder auf 52 an. Davon waren einige von den ersten Nachtigallen des Bernethansenhofes übernommen worden. Das was eine der ehemaligen Nachtigallen heute aufzählen kann und was auf einem Notizblatt von Bitsch vermerkt ist, stellt eine Mischung dar von bekannten wertvollen Volksliedern und sentimentalen Heimatliedern."

Letztere waren ein unentbehrlicher Teil ihres Repertoires, da sie werbend für das Glottertal auftraten.

 

Das Trio sang neun Mal in Berlin, ausserdem in Hamburg, Spreewald, in Frankfurt, sehr oft im Elsaß, in Monte Carlo, zweimal in der Schweiz, in Nizza, sehr oft in Freiburg, einigemale in Karlsruhe, wiederholt in Waldshut und in anderen südbadischen Orten. Anlässe ihres Auftretens waren Heimatfeste, Heimatabende, Trachtentreffen, die Zusammenstellung eines Kulturfilms u.a. Sie wurden eingeladen, Liederabende zu geben. Einige Male wurde ihr Programm von einer Bläsergruppe der Trachtenkapelle mitbestritten.

Den Höhepunkt bildete sicherlich der gemeinsame Auftritt von Trachtenkapelle, Trachtengruppe und Nachtigallen anlässlich einer Werbeveranstaltung im Auftrag des Deutschen Fremdenverkehrsverbandes in London, Birmingham und Manchester.

Notor und Organisator dieser Werbeveranstaltungen war der Kurdirektor des Glotterbades Ernst Rossmy. Seine guten Kontakte reichten bis nach Berlin. Über Generaloberst Heinrici, der mit seiner Familie mehrmals im Sanatorium weilte, war es Ernst Rossmy gelungen, eine Vorstellung der Glottertäler Nachtigallen am 6. Februar 1936 bei Hitler zu erreichen. An jenem Tag fuhren die drei Nachtigallen, dazu Oberlehrer Bitsch, Ernst Rossmy und sein kleiner Sohn nach Berlin in die Reichskanzlei. Mit diesem Empfang in der Reichskanzlei in Berlin durch den Führer persönlich war man bekannt geworden. Zeitungen berichteten darüber, was wieder Werbung für das Bad und damit natürlich auch für das Glottertal war.

Ein weiterer Bekannter von Ernst Rossmy, der Fotograf Hans Retzlaff aus Berlin, hielt sich ebenfalls häufig im Glotterbad und im Glottertal auf. Auch er trug durch seine zahlreichen Aufnahmen von Trachtenträgern aus dem Glottertal, den Aufnahmen von den Landwirten bei der Arbeit und den danach herausgegebenen Postkarten mit Motiven aus dem Glottertal zur Steigerung des Bekanntheitsgrades des Tales bei.

Auf der ärztlichen Seite löste zum 1. Januar 1931 Dr. Steinbach den bisherigen Chefarzt Dr. Hoffner ab. Unter seiner Regie wurde das Sanatorium betrieben. Es wurde eine Röntgenabteilung eingerichtet. Elektrokardiograph und andere medizinische Apparate wurden beschafft und das Laboratorium ausgebaut. Dr. Steinbach hatte gute Kontakte zu den Professoren der Universität Freiburg, so dass die ärztliche Versorgung der Kurgäste damals auf einem sehr hohen Niveau stand.

Nach und nach wurde das Glottertal in den 1930er Jahren zur bevorzugten Domäne zunächst der Bremer  Oberschicht, später zu einem der beliebtesten Kurorte für Großindustrielle aus ganz Deutschland. Schauspieler, Großgrundbesitzer, Generaldirektoren kamen immer wieder in das ruhige Tal und wurden von den staunenden Schwarzwaldmädchen bedient, die oft für einen Hungerlohn als Saaltöchter in ihrer schmucken Tracht die große Gesellschaft umhegten.

Mit Beginn der nationalsozialistischen Diktatur war Ernst Rossmy bestrebt, das Glotterbad zu einem Bad zu machen, dessen Heilungsmethoden der nationalsozialistischen Weltanschauung angepasst waren. Dr. Steinbach war damit nicht einverstanden und wurde von Dr. Brauchle abgelöst, der ein Verfechter einer Naturheilmethode war, die eher auf die Ideologie der Partei bezüglich des Gesundheitswesens abgestimmt war. Nach Brauchles Lehre sollte die wissenschaftliche Medizin weitgehend durch naturverbundene Lebensweise und Regenerationsmethoden ersetzt werden.

In dieser Zeit kamen immer mehr Gauleiter und hohe Militärs ins Bad. Direktor Ernst Rossmy hatten enge Beziehungen zu mehreren einflussreichen Größen in Berlin, die nun immer häufiger den Weg ins Glottertal fanden. Unter anderem kurte Rudolf Heß wiederholt im Bad. Trotz des Krieges waren die Häuser des Glotterbades meist gut belegt. Dank seiner großen Landwirtschaft, Paul Rossmy hatte einen leistungsfähigen landwirtschaftlichen Musterbetrieb aus dem Glotterbad gemacht, war die Versorgung der Gäste immer gesichert. Im Jahre 1941 hatten die Isenbergs ihr Interesse am Bad verloren und verkauften es an den Hamburger Reeder Adolf Wiards. Ernst Rossmy hatte das Glotterbad ebenfalls verlassen, die Leitung war an seinen Bruder Paul Rossmy übergegangen. Dieser ging aber bald auf den Tobererhof, ihm folgte als Leiter des Glotterbads Direktor Henke.

Nach der Bombardierung Freiburgs im November 1944 wurde bis 1948 der Kurbetrieb im Glotterbad eingestellt. Teile der Universitätsklinik Freiburg wurden ins Sanatorium verlegt. Im Kurhaus war kurzzeitig eine Abteilung der Kinderklinik untergebracht.

Nach dem Krieg fanden sich erst allmählich wieder Gäste in dem jetzt von Professor Grothe geleiteten Glotterbad ein. Erst der Umbau des Kurhauses im Jahre 1952 brachte wieder Schwung ins Bad. Schon bald fanden sich finanzkräftige Kreise aus Freiburg, Emmendingen und der näheren Umgebung zu den zahlreichen Veranstaltungen im Kurhaus ein. Eine eigene Tanzkapelle sorgte Sonntag für Sonntag für Stimmung und brachte viele Gäste ins Bad.

 

 

 

 

 

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