Landwirtschaft
Die Besiedelung des Glottertales – das Roden der Wälder, das Anlegen der ersten Äcker, die Errichtung der ersten Hütten und einfachen Holzhäuser – erfolgte wohl in großem Stil ab dem 10. Jahrhundert. Wie das im einzelnen vor sich ging, dafür gibt es bisher keine schriftlichen Zeugnisse. Erste Nachrichten über Bauern im Glottertal stammen aus dem 12. Jahrhundert. Pater Georg Schurhammer, der sich in den Jahren 1901 bis 1903 in verschiedenen Archiven intensiv mit der Geschichte des Glottertales und seiner Besiedelung beschäftigte, beschreibt die mittelalterlichen Besitzverhältnisse der Höfe im Glottertal folgendermaßen:
Als Otto I. Im Jahre 962 dem Konstanzer Bischof den Mauracher Hof schenkte, gehörte zu diesem Besitz auch das Gebiet der 18 Lehen im Obertal. Darunter sind um 1330 folgende heutigen Höfe zu zählen:
I. Im Ahlenbach:
Schererhof (2 Lehen)
Kapphansenhof (1 ½ Lehen)
Vogtshansenhof (1 Lehen)
Dischhansenhof (¾ Lehen)
Glotterrainhof (2 Lehen)
II. Im „Guldenwipf“:
Die „Sonne“ (½ Lehen)
Gehrenhof (Dinghof) (1 Lehen)
Altenvogtshof (¾ Lehen)
Gullerhof (1 ¾ Lehen)
Wälderhansenhof (1 Lehen)
Kappbläsihof (1 ½ Lehen)
Klausenhof (1 ½ Lehen)
Lenzenhof (1 ¼ Lehen)
Hilzingerhof (1 Lehen)
Ob auch die Höfe „Im schwarzen Richenbach“, der Steckle- und Lautackerhof, dazugehörten, ist bisher nicht geklärt.
Diese „18 Lehner“ mussten ihrem Lehensherrn nur einen jährlichen Zins von 3 Schillingen Geld und 8 Sester Haber, sowie den Gutsfall, dazu den Vogt jährlich als Steuer etwa 4 Schilling, 6 Sester Haber und 2 Hühner liefern, unterschieden sich aber sonst nicht viel von freien Leuten. Denn abgesehen davon, dass sie wie auch die anderen Lehenbauern im Tal mit Leuten aus ihrer Mitte ihr Dinggericht besetzten und von den fallenden Strafgeldern einen Teil einhielten, hatten sie völlig freie Benutzung ihrer Almendgüter und konnten ihre Lehen sogar veräußern. Sie hatten sich sogar das alte Ehrenrecht des freien Mannes gewahrt, mit Schild und Speer ins Feld zu ziehen. Die Freiheit ihrer Person genossen sie in so hohem Maße, dass sie nur bei schweren Kriminalfällen festgenommen werden durften.
Neben den 18 Lehnern scheinen nur die Ohrensbacher und Föhrentaler ursprünglich Freileute gewesen zu sein, denn nur die Güter dieser drei Kategorien werden in den Kirchenbüchern (um 1700) als Lehenhöfe bezeichnet und nur sie müssen dem Pfarrer jährlich Lehengeld entrichten. Sie allein geben auch den Blutzehnten an den Pfarrer, ursprünglich eine freie Gabe der christlichen Freileute, die später dann zur Pflicht wurde.
Die anderen jedoch, die Höfe im Untertal, die St. Petrischen im Lauterbach und die Neunlehenhöfe im Obertal zwischen Harterer- und Stecklebächle haben einen anderen Ursprung. Sie sind keine Lehen, sondern „eigentümliche Güter“. Diese Besiedler des Glottertales waren also wahrscheinlich Unfreie, Leibeigene. Es erstaunt zunächst, dass gerade die Höfe im Untertal, dem flachsten Teil des Tales von Leibeigenen betrieben wurden. Vielleicht kam dies daher, weil die Bergwerke dort am „Münzberg“ (beim Wisserhof) und am Kappenbühl damals schon im Betrieb standen und Adligen gehörten, die dann auch begannen, durch ihre Leibeigenen das Gelände landwirtschaftlich zu nutzen. Auch bei den Bergwerken im Lauterbach sind die Höfe von Leibeigenen bewohnt, und bei denen im Ahlenbach ist wenigstens das eine Gut „am Schandblätz“ (Teil vom Glotterrainhof) von einem Unfreien besessen. Dass die Neunlehen, vom Neumeierhof bis zum Hofbauernhof und das Gut „im Richenbach“ mit dem Steckle- und Lautackerhof, die heute die Gummenbauern bilden, leibeigene Güter waren, erklärt sich vielleicht wie bei den Bergwerken daraus, dass sie bei der Verteilung des Landes an die Adligen kamen, die ihre Güter durch Unfreie bebauen ließen.
Herr im Glottertal war zum Teil der Gaugraf, zum Teil besaßen auch kleinere Herrschaften hier Grundbesitz. Am Beginn des 12. Jahrhunderts gehörten die Höfe im Lauterbachtal (Glotterbad) dem Ritter Arnold von Kenzingen und der Hof „am Schändblätz“ einem Ludwig von Denzlingen. Die Höfe im Untertal waren im 14. Jahrhundert Eigentum der Zähringer Herren und die Neunlehen im Obertal wahrscheinlich im Besitz der Winterbacher Junker.
Das leibeigene Volk besaß weder Eigentum noch öffentliche Ehre. Gewöhnlich bezeichnete man sie als die „armen Leute“ und mit „Knecht“, denn bei den vielen Lasten, die auf ihnen ruhten, konnten sie es (wenigstens in früherer Zeit) nicht zu großen Reichtümern bringen. Sie mussten bei ihrem Herrn mancherlei Frondienste verrichten, hatten einen Bodenzins zu zahlen und beim Todes des Leibeigenen mussten sie den Leibfall und den dritten Teil ihrer Habe entrichten.
Diese Leibeigenen kamen jedoch relativ bald durch Schenkung oder Kauf zum großen Teil in den Besitz von Klöstern und Stiftern, so im 12. Jahrhundert die von Rohr und Lauterbach an die Benediktinerabtei St. Peter und im 14. Jahrhundert die Untertäler an die Klosterfrauen des Waldkircher Margarethenstifts. Als „Gotteshausleute“, also zum kirchlichen Besitz gehörend, brachten sie es dadurch allmählich zu einer würdigeren Stellung, die sich im Laufe der Zeit immer mehr besserte, bis sie die wesentlichsten Rechte der Freileute erlangten, so dass das Sprichwort „unterm Krummstab ist gut wohnen“ sich auch für die Leibeigenen im Glottertal bewahrheitete. Von der Drittelspflicht z.B. ist im stiftwaldkirchischen Dingrodel des Unterglottertals (um 1360) keine Rede mehr, und das Kloster St. Peter hob diese so drückende Abgabe für seine Untertanen im Jahre 1456 auf. Am schwersten hatten es die Neunlehenbauern, die bis 1537 unter einem weltlichen Herrn standen und in ihrem Dingrodel noch 1663 die Drittelspflicht beibehalten mussten.
Während die Leibeigenen ursprünglich von dem Gebiet ihrer Herren nicht fortziehen durften, gewährte St. Peter und St. Margarethen ihren Gotteshausleuten Zugfreiheit. Sie mussten lediglich an ihrem neuen Wohnort ihrer Fallpflicht (Abgabenpflicht) nachkommen. Das Gleiche galt auch bei Heiraten, wo der erniedrigende Ehezwang aufgehoben wurde. Wenn jedoch ein Mann Bürger oder Geistlicher werden wollte, so bedurfte er hierzu der Erlaubnis seines Leibherrn.
Die St. petrischen „Gotteshusleute“ erhielten 1456 sogar das Erbrecht auf ihren Gütern, wodurch sie den Erblehenbauern beinahe gleichgestellt waren, und die leibeigenen Maier des stiftwaldkirchischen Gebiets wurden allmählich adlige Dienstmannen.
Es kam auch vor, dass Freileute, vor allem der niedrige Adel, der in den neugegründeten Städten wie Waldkirch und Freiburg wie Pilze aus der Erde schoss, sich von den weltlichen oder geistlichen Grundherren Bauerngüter als Lehen geben ließen. Im 14. Jahrhundert hatten diese angesehenen und wohlhabenden Bürger zahlreichen Grundbesitz im Lande erworben. So hatten mehrere Freiburger Patrizier im Glottertal Güter in ihrem Besitz: Vor allem Ulrich der Metzger; nach ihm sein Sohn Volman Metzger, der später ermordert wurde; Johannes und später Herrmann und Josef Metzger, der im Jahre 1381 den Dinghof der 18 Lehener (Gehrenhof) innehatte. Sie besaßen jedoch nicht nur Lehen, sondern hatten sich auch Eigenttum erworben, wie aus Ulrichs Schenkungen an die Günterstaler Klosterfrauen hervorgeht. Außer den Metzgers findet man auch die Schnewlin („Schnewlinsacker“ bei Winterbach, heute Schlosshof), Hübschmann, Morser (bei Winterbach die „Morserinmatte“), Wolleben (im Ahlenbach), Krebs, Hirdeller, Humbrecht, Eingeb usw. Besonders trifft man diese Leute im 18. Lehensgebiet, denn dort hatten die Bauern von alters her das Recht, nach Belieben ihre Lehengüter ganz oder teilweise zu verkaufen oder zu verpfänden. Manche von diesen Patriziern waren wohl ehemalige Freibauern aus dem Glottertal, die in die von Herzog Bertold III. Und Konrad von Zähringen im Jahr 1120 als „freier Markt“ gegründeten Stadt Freiburg aus dem Glottertal weggezogen waren und es dort als Bürger zu Reichtum und Ansehen gebracht hatten. Die Stadt war rasch zu hoher Blüte emporgewachsen. Während die Bauern ihre Freiheit verloren und die Ritter auf ihren stolzen Burgen verarmten, fühlten sich die Bürger bald als ebenbürtig mit ihren Herren und erwarben immer mehr Besitz.
Aus Leheninhabern wurden Hofeigentümer
Die Abhängigkeit der Bauern von ihren Lehensherren dauerte bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts an. Das ganze Mittelalter hindurch bis weit ins 19. Jahrhundert stand das Obereigentum an Land adligen Grundherren zu. Grund und Boden, der das Viehfutter und die Holz- und Ernteerträge brachte, war gleichsam vom Grundherrn „geliehen“. Der Bauer besaß lediglich das Nutzungsrecht daran. Dafür hatte er bestimmte Leistungen zu erbringen. So musste z.B., um das an einem beliebigen Hof zu zeigen, der Kapellenhofbauer Jakob Scherzinger im Jahre 1793 von seinen 1 ¾ Lehen folgenden Zins abgeben:
1 Gulden 30 Kreuzer
5 Muth und 2 Sester Haber
1 Klafter Holz
3 ½ Güller
1 Fastnachtshuhn
Die Grundherrschaft über die Föhrentäler Gemarkung übte damals der Freiherr von Wessenberg aus, an den der Kapellenhofbauer die 5 verschiedenen Abgaben entrichten musste.
Er hatte zunächst einen Geldbetrag von 1 Gulden (eine Silbermünze) und 30 Kreuzer zu zahlen und dann zwei Naturalabgaben in Hafer und Holz. Der Hafer war wichtig für die Pferde des Grundherrn, da sie sein damaliges Verkehrsmittel darstellten, und das Holz hatte seine Bedeutung als Brennmaterial für die Heizung der Herrschaftshäuser in Freiburg. Muth und Sester sind alte Hohlmaße. Getreide wurde zum Teil bis ins 20. Jahrhundert nicht abgewogen, sondern nach Rauminhalt bemessen.
Weiterhin musste Jakob Scherzinger einen Blutzins von 3 ½ Hähnen und schließlich das Fastnachtshuhn abgeben. Das Fastnachtshuhn hatte dabei nicht nur einen wirtschaftlichen Wert, sondern war gleichsam das Symbol der Anerkennung der Herrschaftsverhältnisse. Wem der Bauer das Fastnachtshuhn lieferte, den erkannte er auch gleichzeitig als seinen Grundherrn an. Die Überreichung erfolgte jeweils am Dingtermin im Februar, deshalb der Name Fastnachtshuhn.
Neben diesen Zinsleistungen bestand aber auch die Verpflichtung zu Frondiensten. So mussten für den Grundherrn landwirtschaftliche Arbeiten, Zufuhrdienste oder auch der Treiberdienst bei der herrschaftlichen Jagd geleistet werden. Der fronpflichtige Bauer musste allerdings nicht selbst erscheinen, sondern konnte z.B. auch einen Tagelöhner schicken.
Eine wichtige Abgabe war auch der Fall. Der Fall besagt, dass beim Tode eines Untertanen sein bestes Stück Vieh („Besthaupt“), beim Tode einer Frau das beste Kleidungsstück („Bestkleid“) durch die Herrschaft eingezogen wurde. Dazu ein Beispiel aus dem Einkünfteverzeichnis des Margarethenstifts Waldkirch aus dem 16. Jahrhundert, der auf das Unterglottertal bezieht:
„Item Conrat Linder ist zu Glotter gestorben, ward ein roß gevallet, angeschlagen um 9 Gulden, dafür geben umb 5 Gulden“.
Nach dem Tod von Konrad Linder wurde also sein Pferd als Fall genommen, oder es musste in einem Geldbetrag abgelöst werden.
Neben diesen Abgaben, die den einzelnen Bauern betrafen, kamen nun noch die Zehntabgaben dazu, die an den jeweiligen Ortsherrn gingen. Von den Reallasten war der „Zehnte“ (10 % der Getreideernte) die größte und diejenige, die am spätesten abgeschafft wurde. Noch im Jahre 1837 hatte die Gemeinde Föhrental an Zehntabgaben zu zahlen:
6 100 Becher Weizen
24 300 Becher Roggen
1 800 Becher Gerste
34 036 Becher Hafer
wobei ein Becher 0,18 Liter beinhaltet.
Außerdem war der Bauer speziellen Zwängen unterworfen, z.B. dem Bann: Er durfte z.B. sein Korn nur an herrschaftlichen Bannmühlen mahlen lassen. Auch die Gattenwahl und die Freiheit, seinen Wohnort zu wählen, war eingeschränkt. Wollte jemand aus dem Föhrental ins Obertal einheiraten oder umziehen, bedurfte dies der Zustimmung des Feudalherrn, der dann meist mit einer Loskaufsumme, die recht hoch sein konnte, verbunden war. Das Abzugsgeld, Manumissionsgebühr genannt, kostete den Abwanderer zwischen 5 % und 10 % seines Vermögens. Der Herr betrachtete dies als Entschädigung dafür, dass sein Lehen eventuell brachliegen würde, also für ihn keine Einkünfte mehr brachte. Wie hoch die Inzuchtgefahr angesichts dieser Zwänge war, kann man sich vorstellen und wird durch die Geburt vieler behinderter Kinder belegt.
Die frühesten umfassenden Ansätze zur Beseitigung solcher Beschränkungen und der Befreiung der Bauern von diesen Zwängen gehen auf den Habsburgermonarchen Joseph II. zurück. Er erließ schon 1781 ein Bauernbefreiungsedikt, welches die freie Heirat, den freien Abzug und die Erleichterung der Frondienste in den österreichischen Landen ermöglichen sollte. Man wundert sich vielleicht, warum dieser Vorschlag vom obersten Feudalherrn selbst kam. Aber er sagt, dass die Aufhebung der Leibeigenschaft „auf die Verbesserung der Landeskultur und Industrie den nützlichsten Einfluss habe und dass die Vernunft und die Menschenliebe für diese Änderung das Wort spreche.“ Er hoffte also, dass freie Bauern ihre Felder fleißiger und produktiver bewirtschaften würden als in unfreiwillig geleisteter Fronarbeit, und außerdem war er der Meinung, dass die Leibeigenschaft mit der Würde des Menschen nicht vereinbar sei.
Obwohl das Glottertal im habsburgischen Vorderösterreich lag, zeigte dieser Erlass zunächst nur wenig Wirkung. Das Beharrungsvermögen der traditionellen Gewalten und die Interessen der Grundherren waren zunächst stärker. Erst 1793 erlaubte der Freiherr von Wessenberg den Föhrentälern, ohne seine Zustimmung und ohne ihn vorher fragen zu müssen in die drei anderen Glottertalgemeinden umziehen zu dürfen.
Den entscheidenden Anstoß für die Bauernbefreiung brachte dann die Französische Revolution 1789 und die folgende Eroberung Deutschlands durch Napoleon. Die Folge war die Auflösung der Klöster und die Neuordnung der deutschen Länder. Das wirkte sich auch auf den vorderösterreichischen Breisgau und das Glottertal aus. Der Breisgau fiel 1805/1806 an das neugebildete Großherzogtum Baden. In diesem Zuge wurde die Benediktinerabtei St. Peter aufgelöst. Damit gingen die Zehntverpflichtungen der Obertäler Bauern vom Kloster auf den badischen Staat über. Das ganze Glottertal war nun badisch.
Die badische Regierung dachte ähnlich wie Joseph II und war überzeugt, dass nur dann Fortschritte in der Landwirtschaft und eine Ertragssteigerung für den ständig steigenden Nahrungsbedarf zu erzielen seien, wenn die Höfe den Bauern auch selbst gehörten.
Damit waren die Voraussetzungen für eine allgemeine Bauernbefreiung geschaffen. In einzelnen Etappen setzte man die alte Feudalverfassung außer Kraft:
- 1810 wurde das Badische Landrecht eingeführt, eine Art Grundgesetz nach französischem Vorbild.
- 1819 wurden endgültig alle Leibeigenschaftsabgaben (Besthaupt, Manumissionsgebühr, Leibschilling usw.) abgeschafft.
- 1825 wurden alle Häusersteuern aufgehoben, wozu z.B. das Fastnachtshuhn zählte.
- 1835 erfolgte die Abschaffung der Bannverpflichtungen.
Den Abschluss bildete das „Gesetz, die Aufhebung der Feudalrechte betreffend“ im Jahre 1848. Dieses Gesetz hob die restlichen Grundverpflichtungen auf und regelte die Entschädigung, die die Bauern an die bisherigen Grundbesitzer zu zahlen hatten.
Umsonst bekamen die Bauern ihre „Freiheit“ und die Verfügungsgewalt über ihre Höfe also nicht. So kam am 20. Juni 1853 ein Vertrag zwischen dem großherzoglich-badischen Domänenaerar und sämtlichen Ackerbesitzern der Glottertäler Zehntbezirke zustande. Unter der Aufsicht des Amtsrevisors aus Waldkirch trafen sich in Unterglottertal die berechtigten Beteiligten, der Pfarrer Fridolin Willin, der Bezieher des „kleinen Zehnten“ war, und die Vertreter der politischen Gemeinden:
- Föhrental entsandte Blasius Tritschler;
- Oberglottertal den Gemeinderat Johann Hoch und das Bürgerausschussmitglied Johann Disch;
- Ohrensbach den Gemeinderat Johann Birkle und Bürgerausschussmitglied Josef Birkle;
- Unterglottertal den Bürgermeister Simon Furtwängler und Bürgerausschussmitglied Joesf (Blatz?).
Als Zeugen erschienen der Engelwirt Fackler und Schmiedemeister Michael Disch (Beckenmichel).
Der Zehntablösungsbetrag wurde nun für die einzelnen Ortsbezirke nach einem vom Staat vorgegebenen Berechnungsmuster ermittelt und die erheblichen Geldbeträge mussten nun von der Bauernschaft abbezahlt werden, was sie zunächst in große Zahlungsschwierigkeiten brachte. Aber nach der Abzahlung dieser riesigen Geldschuld war die Zeit der Feudalabhängigkeit mit dem Jahre 1853 für die Glottertäler Bauern endgültig vorbei.
Der Bauer ist „Herr“ auf seinem Hof
Nachforschungen von Pater Georg Schurhammer, die der unter der Überschrift „Kulturgeschichtliches aus dem Glottertal“ im Jahre 1917 in einer Beilage zur Freiburger Tagespost veröffentlicht hat, und eigene Gespräche mit älteren Mitbürgern zeigen, dass es in früheren Zeiten den Glottertäler Bauern an einem ausgeprägten Standesbewusstsein nicht mangelte und ihnen ein gewisser Bauernstolz nicht fremd war. Der Unterschied zwischen den Bauern, die ihren Hof besaßen, einerseits und ihren Geschwistern, die als Knechte und Mägde auf dem Hof mitarbeiten mussten, und erst recht den Tagelöhnern andererseits, war sehr groß. Dies änderte sich erst im 20. Jahrhundert, als auch Taglöhnerkinder die Möglichkeit erhielten, einen Beruf zu lernen. Das Gefühl, ich bin ein Bauernsohn und du nur ein Taglöhnerkind, wirkte bis weit ins 20. Jahrhundert.
Schon vor der endgültigen Bauernbefreiung Mitte des 19. Jahrhunderts herrschte auf den Höfen ein sehr patriarchalisches Leben, und dies setzte sich auch in den folgenden Jahrzehnten bis weit ins 20. Jahrhundert hinein fort. Der Bauer fühlte sich gleichsam als König auf seinem Gut.
Eigenständigkeit zu bewahren war das Ziel der Bauern auch gegenüber der Gemeinde. Deshalb waren sie nicht bereit, viele Rechte an die Gemeinde abzutreten oder ihr gegenüber Verpflichtungen einzugehen. Der Bürgermeister hatte keine starke Stellung. Die Bauern wollten sich in ihren Hof nicht hineinreden lassen. Jeder herrschte über sein kleines Reich, in dem er mit Zähigkeit an alten Traditionen festhielt.
Der Hof wurde gewöhnlich an den jüngsten Sohn vererbt, oder wenn kein Sohn da war, an die älteste Tochter. Dieses Aberbenrecht hatte sich im Tal seit Jahrhunderten durchgesetzt, weil man den Hof nicht auf die Kinder aufteilen konnte, wenn man ihn wirtschaftlich erhalten wollte. Gleichzeitig durfte man den Hof auch nicht zu sehr mit Schulden belasten. Deshalb wurden die übrigen Geschwister gewöhnlich mit kleinen Entschädigungen abgefunden. Sie blieben oft als „Bäsli“ oder „Vetter“ unverheiratet auf dem Hof und arbeiteten für ihren Bruder wie Knechte und Mägde. Heiraten konnten sie meist nicht, weil sie keinen Besitz und keine Wohnung hatten. Das führte oft dazu, dass auf den Höfen neben den Kindern des Bauern auch noch die unehelichen Kinder seiner unverheirateten Schwestern aufwuchsen.
Der Bauer brauchte bei der Arbeit auf seinem Hof nicht zu helfen, wenn es ihm nicht beliebte. Meistens arbeitete er jedoch mit. Oft fuhr er aber auch mit seinem „Bännewägele“ und seinen zwei Pferden davor ins Tal zur Schmiede, zum Wagner, zum Sattler, oder um sonstige Besorgungen zu machen. Danach kehrte er gewöhnlich in einer der Talwirtschaften ein.Von Zeit zu Zeit fuhr er auch mit seinem Gespann nach Freiburg, um dort die jungen Schweine auf dem Markt zu verkaufen. Da konnte dann auch ab und zu die Bäuerin mitfahren, um Eier und Bitter in die Stadt zu bringen. Sonst kam die Butterfrau mit ihrem Weidenkorb, den sie auf dem Kopf trug, auf die Höfe, sammelte dort Butter und Eier ein und vertrieb diese auf den Märkten der Umgebung, meist in Freiburg. Was man auf den Höfen brauchte, stellte man, von den schafwollenen Socken bis zum „rischtenen“ Hemd, selbst her. Andere Kleidungsstücke kaufte man meist bei Krämern, die von Zeit zu Zeit ins Tal kamen und auf den Höfen hausierten. Zuweilen kamen auch die Näherin und der Schuhmacher auf die Ster und brachten Kleider und Schuhe in Ordnung. So kaufte der Bauer nach seinem Handel in Freiburg nur selten etwas ein.
Die Hauptarbeit auf den Höfen wurde von den Knechten und Mägden geleistet, die man „Völcher“ nannte. Die großen Höfe hatten neben den Tagelöhnern, die man nur dann zur Arbeit holte, wenn besonders viel zu tun war, immer 3 bis 4 Knechte und Mägde. Unter diesen herrschte eine feste Rangordnung, die streng eingehalten wurde.
Neben den Bauern hatte der Oberknecht das Sagen. Er fing überall zuerst an. Er stand zuerst auf, stimmte das Tischgebet und den Rosenkranz an, wenn der Bauer nicht da war, nahm nach dem Bauern zuerst aus der Schüssel usw. Er hatte auch die wichtigsten Arbeiten zu verrichten wie Säen, die Äcker pflügen und Heu und Garben laden. Beim Kartoffelgraben, Rebenhacken usw. war rechts zuerst der Oberknecht, neben ihm die Obermagd, dann die anderen „Wibervölcher“, daneben die Taglöhner und links außen die Unterknechte. Das Füttern des Viehs besorgte der Bauer selbst oder es war die Aufgabe des Futterers, der auch sonst nur für Stallarbeiten, Vieh putzen usw. zuständig war. Die Unterknechte hatten dem Oberknecht zur Hand zu gehen. Sie mussten Grünfutter holen, Frucht mähen, Hausholz machen, den Ochsenstall misten, im Winter das Getreide mit dem „Pflegel“ dreschen. Den untersten Rang in der männlichen Hierarchie nahmen die Hirtenbuben ein. Sie mussten das Vieh hüten, den Schweinen ausmisten, Kartoffeln und Rüben waschen und Holz in die Küche tragen. Das war für diese Taglöhnerkinder, die oft schon mit 10 Jahren oder noch jünger auf die Höfe kamen, eine schwere Zeit. Ihnen wurden oft viele Aufgaben aufgeladen, was der Seufzer eines „Hirtenbues“ ausdrückt: „Bin Bur un Knecht un Hirtenbue und monchmol au nuch Magd dezue.“
Die Rolle des Oberknechts nahm auf der Frauenseite die Obermagd ein. Sie musste backen, melken, der Bäuerin beim Kochen helfen, die Wäsche versorgen. An den Waschtagen kamen zu den Untermägden meistens noch Taglöhnerfrauen dazu, um im großen Waschzuber, der an den Schlachttagen im Winter auch beim Abbrühen der Schweine und sonst als Badewanne für die ganze Familie benutzt wurde, die Wasche sauber zu schrubben. Die Untermägde mussten beim Mistladen helfen, den Kuhstall misten, Betten machen, aufwaschen, beim Heuen rechen und bei der Getreideernte Frucht aufheben. Sie mussten auch die Milch durch die Zentrifuge lassen, die Kälber tränken und die Schweine füttern. Im Winter waren die Untermägde zuständig für das Flicken und Stricken, das Spinnen und auch das Strohbandmachen, die man im Sommer zum Garbenbinden brauchte. Meistens waren auch Mädchen auf dem Hof, die den Mägden zur Hand gehen und die Schweine füttern mussten.
Die Rangordnung der „Völcher“ drückte sich auch in der Sitzordnung beim Essen aus. Am Kopfende des Tisches neben dem Herrgottswinkel saß der Bauer, recht von ihm der Oberknecht, dann die Unterknechte und der Hirtenbue. Links vom Bauern war der Platz der Bäuerin. An der Seite schlossen sich dann die Obermagd, die Untermägde und das Maidle an. Dann folgten die Taglöhner. Auf manchen Höfen aßen der Bauer und die Bäuerin und die Kleinkinder auch im Stübli oder am Ofentisch. Am Tisch herrschte peinliche Ordnung. Vor allem die Kinder hatten still zu sitzen. Wem das Artigsein schwer fiel, dem konnte es leicht passieren, dass er ein „Holzschittli“ holen, darauf knien und ein Vaterunser beten musste. Nach dem Essen wurde der Löffel an der Tischdecke oder auch an der Schürze abgeputzt und dann in die Halterung an der Wand gesteckt. Später wurden die Tischschubladen zum Aufbewahren des Bestecks benutzt.
Die Essenszeiten waren von der Jahreszeit abhängig. Im Sommer gab es etwa um 6 Uhr das Morgenessen: Mehlsuppe, Brotsuppe oder Kaffee, in den man Brot eintunkte. Die Suppe wurde gewöhnlich aus einer großen Schüssel gelöffelt. Gegen 9 Uhr erfolgte, manchmal auch auf dem Feld, das „z'Niniesse“. Es gab Speck, an dem sehr viel Fett daran war, und Brot. Dazu wurde Most getrunken. Am Freitag, an dem es wegen des Fastengebots kein Fleisch gab, aß man meist „Bibeliskäs“. Das 11-Uhr-Läuten von den Glocken der Höfe rief die „Völcher“ von den Feldern heim zum Mittagessen. Während der Woche gab es fast ausschließlich Mehlspeisen: Stribli, Schlembeküchli, Preßhefeküchli, Äpfelküchli, Dampfnudle, Knöpfli, Wasserschnitte oder Pfludde. Fleisch gab es nur am Sonntag. Es war ausschließlich Schweinefleisch, denn die Rinder haben die Bauern nicht selbst geschlachtet, sondern an die Metzger verkauft. Nur an hohen Festtagen gab es Nudelsuppe mit Rindfleisch und an Kilbi einen Schafbraten. Auf manchen Höfen waren die Essenszeiten am Werkstag sehr knapp bemessen. Das hing vor allem vom Oberknecht ab. Wenn er aufstand, war damit für alle das Essen beendet. Alle mussten sich zum Tischgebet erheben, auch wenn der eine oder andere seinen Teller noch nicht leergegessen hatte. Gegen 4 Uhr nachmittags gab es das „z'Obeesse“, meist wieder Speck, Brot und Most, das häufig in einem Korb auf das Feld gebracht wurde. Dabei war jedem nur ein relativ kleines Stück Speck zugedacht, das es kaum satt machte. Deshalb gab es Nüsse und Äpfel dazu.
Nach der Stallarbeit gab es dann das Nachtessen, das aus Mehlsuppe bestand, zu der man im Sommer und Herbst Birnen aß. „Geschwellte Herdepfel“ und Milch war ebenfalls ein häufiges Nachtessen. Im Winter aß man auch die Äpfel und Birnen, die man im Keller auf der „Hurt“ aufbewahrte. Dies war eine große Holzbühne, die an der Kellerdecke hing und so angebracht war, dass möglichst keine Mäuse an das Obst gelangen konnten. In den Wintermonaten legte man die Äpfel – Graue Renetten, Madiskracher und Ziebeleäpfel – ins Ofenrohr und aß sie warm. Auch die gedörrten Zwetschgen brachten ab und zu etwas Abwechslung in den Speiseplan. Wenn vom Mittag noch einige Pfludden oder etwas Süßkraut übrig waren, wurde dieses zum Nachtessen aufgewärmt.
In den Wintermonaten fielen das „z'Niniesse“ und das „z'Obeesse“ aus. Man richtete sich bei der Arbeit möglichst nach dem Tageslicht. Deshalb endete abends mit der Dunkelheit auch die Arbeit, da die vorhandenen Lichtquellen Öllampen, Sturmlaternen und Wachsstöcke kein Arbeiten mehr zuließen. Diese Regelung galt von Anfang September (Verenatag) bis Mitte März (Josefstag). Daher kommt auch der Ausspruch: „d'Verena trait s'Zobeesse heim“.
Auf manchen Höfen gab es besondere Bräuche für einzelne Festtage. Auf dem Ambs- und Dilgerhof durfte es an den drei hohen Festtagen Weihnachten, Ostern und Pfingsten kein Fleisch geben. Es bereitete der Bäuerin oft großes Kopfzerbrechen, was sie statt dessen an diesen Festtagen auf den Tisch stellen sollte, so dass ihre Leute dann doch zufrieden waren. Auf dem Hilzingerhof durften die Kutteln der ersten Sau, die geschlachtet wurde, nicht innerhalb des Hofgebietes verzehrt werden. Deshalb hat man sie über die „Lochensteine“ (Grenzsteine) auf das Gelände vom Lenzenhof getragen und dort gegessen.
Bedenkt man die harte körperliche Arbeit, die die Menschen verrichten mussten, dann war das Essen früher nicht üppig. Im Sommer begann die Arbeit meist schon um 4 Uhr in der Frühe. Grünfutter holen, füttern, melken, Ställe misten. Im Heuet musste man früh auf die Wiesen, um das Heugras zu mähen, solange noch ein wenig Tau lag und die Sense noch gut lief. Bald kamen dann auch die Mägde, um die „Schoren“ zu schütteln. In dem bergigen Gelände wurde alles von Hand gearbeitet. Während der Getreideernte mussten die Mägde mit auf das Feld, um hinter den Mähdern her das Getreide aufzuheben und geordnet auszubreiten, damit das Stroh gut trocknete. Dabei ging man mit dem Getreide sehr sorgfältig um. Auch beim Garben binden und Garben laden wurde peinlich darauf geachtet, dass kein Korn verloren ging. Deshalb fiel das Ergebnis der Taglöhnerfrauen, die als Ährensammlerinnen das abgeerntete Feld noch einmal abgingen, meistens spärlich aus, denn es wurde vorher mit dem Halmrechen möglichst jeder Halm aufgesammelt.
Auch die Kinder wurden jetzt während der Ernte gebraucht. Die einen mussten die Strohbänder „spreiten“ (hinlegen), damit die Mägde das Getreide antragen konnten, andere musste vor den Ochsen stehen und „Bremmen“ wehren, die den Ochsen arg zu schaffen machten. Die Kinder halfen auch, das Gewicht an der „Waagstange“ zu vergrößern, wo Knechte und Mägde dafür sorgten, dass der Garbenwagen in dem steilen Gelände nicht umfiel. Wenn der Wagen fertig geladen war, rannten die Kinder auch schon nach dem Wiesbaum und den Wurfseilen, damit der Oberknecht die Garben so befestigen konnte, dass sie auf dem holprigen Heimweg nicht verloren gingen.
Eine harte Arbeit für Menschen und Zugtiere war auch das Mistfahren. Mit vier Ochsen und zwei Pferden vor der „Mistbenne“ brachte man den Stallmist bis auf die entlegensten Felder, die sich früher bis weit an die Hänge hinaufzogen. Man baute das Brotgetreide und das Futter für das Vieh alles auf der eigenen Fläche an, so dass man bei den geringen Erträgen viele Äcker unter den Pflug nehmen musste.
Auch die Hirtenbuben hatten es nicht leicht. Im Sommer mussten sie oft schon um 5 Uhr aufstehen, eine halbe Stunde bis zur Berghütte laufen und dort den Jungviehstall ausmisten. Danach galt es, rund 5 Stunden lang das Vieh zu hüten. Wenn es gegen Mittag für die Tiere zu heiß wurde, wurden sie wieder in den Stall getrieben. Die Hirtenbuben liefen dann nach Hause, aßen kurz ihr Mittagessen und machten sich dann für 3 bis 4 Stunden auf in die Hirtenschule. Wenn sie am späten Nachmittag wieder daheim waren, bekamen sie ihre „Butterstrichi“ und machten sich erneut auf den Weg zur Viehhütte, um dort wieder mit dem Vieh auszufahren. Erst wenn die Sonne abends am Kleinen Kandelfelsen stand, war es für die Obertäler Hirtenbuben Zeit zum Einfahren. Eine Uhr besaß ein Hirtenbube damals nicht. Seine Eltern waren meistens froh, dass sie als Tagelöhner oder einfache Handwerker ihre Kinder überhaupt auf einem Hof unter brachten. Zumindest für das Essen und Kleidung für das Kind war damit gesorgt und daheim war ein Esser weniger. Der Hirtenbub bekam gewöhnlich ein Paar Sonntagsschuhe und für den Winter ein Paar Holzschuhe. Den ganzen Sommer über bis in den Herbst hinein liefen die Hirtenbuben barfuß. Da konnte es bei frühen Herbstfrösten schon vorkommen, dass die warmen Kuhfladen auf der Weide eine willkommene Gelegenheit waren, sich die frierenden Füße etwas aufzuwärmen. Gewaschen haben sich die Knechte und Hirtenbuben am Brunnentrog. Wenn der Bub es dabei nicht so gründlich nahm, dann konnte es ihm leicht passieren, dass ihn der Lehrer in der Schule an den Bach schickte, wo er gründlich waschen musste.
An Kilbi bekam der Hirtenbub ein wenig Kilbigeld und bei der Bescherung an Weihnachten etwas zum Anziehen, ein neues Hemd oder auch mal eine neue Hose. Das war dann sein Jahresverdienst. Auch die Knechte und Mägde bekamen nur einen geringen Lohn. Ein paar Gulden im Jahr und einige Kleidungsstücke, das war meist alles. Dies verdeutlicht auch die Anekdote, die man über den Hirtenbuben vom Wisserhof erzählt:
Eines Tages kam der Landesfürst auf seinen Reisen durch das Land ins Glottertal und fragte beim Vorüberreiten den Hirtenbuben des Wisserburs, was er tue. „Säu hüte“, war die Antwort. Auf die Frage, was er dafür bekomme, antwortete der Bub dem Großherzog: „S'Häs un s'Gäss, hesch du meh?“ (Kleidung und Essen, hast du mehr?).
Geschlafen haben die Hirtenbuben und Knechte in den Gangkammern über den Viehställen. Diese Kammern waren karg eingerichtet, meist nur mit einem Schrank und einem Bett. Als Unterlage hatte man keine Matratzen, sondern Strohsäcke, die im Herbst jeweils wieder neu gefüllt wurden. Da diese Zimmer nicht beheizt werden konnten, waren sie im Winter grimmig kalt. In mancher zugigen Kammer waren die Wände manchmal weiß gefroren. Deshalb war für den Hirtenbuben das mit Kirschensteinen gefüllte Steinsäckle besonders wichtig, das tagsüber ins Ofenrohr gelegt wurde und abends half, das Bett warm zu bekommen.
Eine wichtige zeit für die Knechte und Mägde war die Zeit „zwischen den Jahren“, also die Zeit um den Jahreswechsel. Am „Bindelistag“ - für die Knechte normalerweise der Silvestertag, für die Mägde der Neujahrstag – wechselten sie die Höfe, um sich wieder für ein Jahr bei einem Bauern zu Dienst und Treu zu verdingen. Schon lange vorher hatte sich beim Kilbitanz und an den Markttagen herumgesprochen, auf welchem Hof es volle Suppenschüsseln gab.
Kennzeichnend für die Familien auf den Höfen und ihre Knechte und Mägde war, dass sich ihr Leben in einem eng begrenzten, überschaubaren Raum abspielte. Große Reisen kannte man nicht, für die meisten war die Welt das Dorf. Viele kamen im Laufe ihre Lebens kaum einmal nach Freiburg oder gar noch weiter weg. Das wurde erst anders mit dem Aufkommen der Fahrräder und der Autos im 20. Jahrhundert und vor allem mit der Entstehung von größeren Handwerks- und Industriebetrieben. Dadurch veränderte sich das Leben auf den Höfen grundlegend. Mit der Mechanisierung der Landwirtschaft wurden die Knechte, Mägde und Hirtenbuben entbehrlich, die Zugochsen wurden durch Traktoren ersetzt und die Getreidefelder sind der Grünlandwirtschaft gewichen.
Damit hat sich auch die Rolle der Bauern grundlegend verändert. Er ist heute bei weitem kein „König“ mehr auf seinem Hof, wie ihn noch der Lehrer Kunz in den 1930er Jahren sah. Einmal hat er gar keine „Völcher“ mehr, denn er ist heute mit seinen Familienmitgliedern der einzige Arbeiter auf dem Hof, der übrig geblieben ist. Andererseits kann er sein Land auch nicht mehr nach seinem Gutdünken bewirtschaften, sondern ist eingebunden in ein Landwirtschaftssystem, in dem er mehr oder weniger mitmachen muss, was ihm durch EG-Richtlinien und die Landwirtschaftspolitik vorgegeben wird. So ist es nicht verwunderlich, dass immer weniger Höfe im Vollerwerb betrieben werden. Diese Abnahme der wirtschaftlichen Bedeutung der Landwirtschaft für die Menschen im Ort hat den Charakter des Dorfes verändert. Das Ortsbild wird zwar heute wie seit Jahrhunderten entscheidend geprägt durch die verstreut liegenden Einzelhöfe. Aber aus dem von der Landwirtschaft bestimmten Glottertal des 19. Jahrhunderts wurde ein Fremdenverkehrsort mit einer vielfältigen Bevölkerungsstruktur.
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