Hochzeitsfeiern in der Wirtschaft
Unter normalen Umständen trafen sich vor allem Bauern, die ihre Besorgungen gemacht hatten oder auch Handwerker an den Stammtischen der Wirtshäuser. Große Sprünge konnte sich aber die Mehrzahl der Glottertäler nicht erlauben, denn Geld war meist knapp. Trotzdem verstand man es, zu feiern. Höhepunkte im Leben waren zum Beispiel die Hochzeitsgesellschaften. Bei einer Bauernhochzeit wurde an nichts gespart. So versetzte ein Blick auf den Ablauf der Hochzeit von Andreas Schurhammer und Maria geb. Reichenbächin im Jahre 1791 im "Engel" den heutigen Leser in Erstaunen:
"Am Hochzeitsmorgen gings zuerst in den 'Engel' zur Morgensuppe, dann erhielten alle Anwesenden Maien und um 9 Uhr gings zur Kirche. Dann schritt der Brautführer mit der Braut, dann der Ehrgsell mit dem Bräutigam und die Zeugen, hierauf die Jungfrauen aus der Verwandtschaft als 'Kreuzmaidle' mit Schäbbelkränzen, weißen hasenhärenen Strümpfen und roten Zopfbändern. Nach dieser kommen die Eltern und die ganze Verwandtschaft, die Männer waren wie der Bräutigam gekleidet; die Verheirateten trugen ihre Hochzeitszylinder, die Ledigen breitkrämpige Hüte.
Die Frauen kamen in ihren weißgebleichten Strohzylindern, "den Bindhüten", die niederer und breiter als die späteren Lackzylinder waren mit einem schwarzen Band unter dem Kinn festgebunden wurden, sonst waren sie gekleidet wie die Braut, nur dass manche statt der weißen Strümpfe die gewöhnlichen "Madelstrümpfe" trugen, blaue schlafwollene, von denen sich von unten herauf rote Längsstreifen zogen, die Jungfrauen hatten rote, die Frauen schwarze, die Wittfrauen grüne Zopfbänder. War der Hochzeitszug nun in der Kirche angekommen, so begann das Hochzeitsamt, währenddessen die Braut ein Schnupftuch und einen Maien für den Pfarrer auf den Altar legte. Das Hochzeitspaar wohnte der hl. Messe vorn im Chor bei. Nach deren Beendigung begab sich das Paar mit dem Ehrengesell und Brautführer ins Pfarrhaus, wo sie die Brautmesse bezahlten und den Pfarrer zum Hochzeitsschmauss einluden. Dann gingen die Leute zum nahegelegenen "Engel", wo alsbald der Wirt oder Kellner einen Trunk, meist Rotwein, herausbrachte; nachdem alle einander Gesundheit zugetrunken, gehts in die Wirtschaft, wo das Hochzeitspaar den Ehrenplatz im Herrgottswinkel einnahm. Rechts und links von ihnen kamen Ehrgsell und Brautführer, dann die Eltern etc. Bei einer großen Hochzeit waren oft 40 - 80 Personen beisammen. Jetzt begann das Essen; vorherg jedoch erhob sich der Vater des Hochzeiters und mit ihm die anderen, zog den Hut ab und betete den englischen Gruss (Ebenso auch abends beim Betzitlüte). Das Essen dauerte von morgens 10 Uhr bis in die Nacht hinein. Nach jedem Gang wurde getanzt und man beganns wieder von neuem. Zuerst gab es Fleischsuppe, worauf der erste Ehrentanz folgte, wobei sich bei den beiden folgenden nur Hochziter und Hochziterin, sowie Ehrgsell und Brautführer sowie zwei Brautjungfern tanzen durften. Getanzt wurde in der Scheune, wobei die drei geschmückten Musikanten auf "Geige, Baßgeige und Clarinett" lustige Weisen ertönen ließen. Getanzt wurde damals noch nicht in der neumodischen Art mit den sinnverwirrenden herumschwingenden Walzer, sondern ruhiger und vernünftiger, indem sich die Paare rhythmisch hin und herbewegten, voreinander, gegeneinander, durcheinander und umeinander, indem sie sich die Hände reichten und über dem Kopf umdrehten, ähnlich wie heutzutage bei den Gesellschaftstänzen (Francaise, Lancier etc.)
Nach dem ersten Ehrentanz kam als zweiter Gang 'Sûresse' d.h. saure Leber, Sulz etc., nahc dem zweiten Ehrentanz Nudelsuppe hierauf Rindfleisch mit Beilagen wie z.B. Meerrettich, Rotrüben, etc. dann 'Brotis' (Braten) mit Zwetschgen und Salat; hierauf eingemachtes Kalbfleisch und Backwerk (Butterteigpasteten), dann Kotteletten, nach diesen 'Schunken' und Bratwürste mit Sauer-, Schwarz- und Blatterliskraut und zum Schluss noch Kaffee und 'dohde' (Torte) nebst Kuchle.
So wurde gegessen und getanzt bis gegen zehn Uhr abends. Dann wurde aufgebrochen. Die Musikanten begleiteten die Hochzeiter noch vor ihr Haus und spielten dort zum Abschied noch eines auf. Damit der Hochzeitstag beendet."
Dieser interessante Einblick in die Hochzeitsbräuche vor über 200 Jahren, zeigt uns, dass man sich jeden Tag satt essen konnte, in der es nur an großen Festen, wenn überhaupt, Fleisch zu essen gab, bei einer Hochzeit alles aufgetischt wurde, was gut und teuer war. Ein Blick auf die Speisekarte, zeigt eine Menüfolge, die aus mehreren vollwertigen Mahlzeiten besteht. Typische regionale Gerichte werden aneinandergereiht, um zu zeigen, dass man es sich leisten konnte zu feiern, dass die Braut, der Bräutigam eine gute Partie gemacht haben. Die Bemerkungen zu dem "sinnverwirrenden" Walzer, der dem Chronisten nicht ruhig und vernünftig erschien, erheitert den heutigen Leser etwas. Der Autor war hier jedoch als Jesuit in dieser Beziehung wohl eher konservativ eingestellt.
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