Die Schwarzwaldklinik

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Der Großherzog wird Patronatsherr

 

 

Nachdem im Jahre 1976 die Glottertäler die Kriegssteuer nicht bezahlten, wurde das Tal von französischen Truppen geplündert. Wieder einmal wurde die Kirche beschädigt und die größte Glocke mitgenommen. Auch die eigenen österreichischen Truppen benahmen sich wie Feinde. Die Bewohner des Tales flohen erneut in die Wälder. Als um 1800 die Zeiten etwas ruhiger wurden, richtete man die Kirche wieder her und renovierte den Kirchturm, der im Jahre 1801 einen achteckigen Aufbau erhielt.

 

Danach kam es zum großen politischen und kirchlichen Umbruch. Im Jahre 1806 wurde auch das Glottertal badisch und der jeweilige Großherzog von Baden Patronatsherr der Pfarrei. Der Deutschorden wurde aufgelöst. Am 30. Juli 1806 mussten die Glottertäler dem neuen Landsherrn den Huldigungseid schwören. Nun waren sie badisch, obwohl sie viel lieber österreichisch geblieben wären. Die Bauern mussten nun ihre Zehnten und sonstigen Abgaben an die badische Verwaltung in Waldkirch abliefern. Viele Feiertage wurden durch Regierungsverordnung abgeschafft. Wen an solchen Tagen den Gottesdienst besuchte oder als Pfarrer feierlichen Gottesdienst abhielt, wurde mit Arrest oder der Pfarrer mit 20 Reichstalern bestraft. Verboten wurden auch all die großen Prozessionen. In St. Peter wurde das Kloster aufgehoben, Abt Speckle und seine Mitbrüder mussten das Kloster verlassen. Die Kaplanei wurde nun ebenfalls aufgehoben, das Kaplaneihaus für 2000 Gulden an Josef Blattmann aus dem Obertal versteigert.

 

In dieser Zeit des Umbruchs kam im Jahre 1821 Josef Fidelis Wolf als Pfarrer ins Glottertal. Er schreibt in die Pfarrbücher:

 

"Am 19. Februar 1821 habe ich, Josef Fidelis Wolf, die hiesige Pfarrei angetreten. Angehalten hab ich um diesen Posten, weil mir das Tal gut gefiel und weil ich die Talbewohner für biedere und folgsame Menschen gehalten habe." Darin hatte er sich aber mächtig getäuscht, denn er war ein ziemlich cholerischer Mensch und das passte gerade zu den zu jener Zeit ebenso hitzigen Glottertälern. Denn die Aufklärungszeit und die französische Revolution hatten auch im Glottertal viel verändert. Wolf wollte nun seine Glottertäler Schäfchen auf Vordermann bringen und das liest sich in den Pfarrakten so:

 

"Die vernünftig christlich und stufenweise Aufklärung fing ich an mit Hellmachen in der Kirche und verschaffte dadurch dem Tempel Sonne und Tageslicht mit dem Wunsche, dass nach und nach auch jenes höhere Licht von oben den Verstand und die Herzen meiner Pfarrkinder erleuchten und leiten möge."

 

Den lichteren Farben im Gotteshause sollte eine Erneuerung des Gottesdienstes folgen. "Dem ewigen, maschinenmäßigen Rosenkranzgebete" wollte er begegnen durch Förderung des Kirchengesanges.

 

Ein anderes seelsorgerisches Unternehmen beschreibt er so:

"Ich lobte am Rosenkranz, was daran zu loben ist, um meinen Endzweck zu erreichen, nämlich das laute Rosenkranzbeten auch noch während dem Frühgottesdienste abzubringen und stattdessen doch das Gebet aus Büchern einzuführen. Allein mein hierüber ausgestreuter Same ist bisher noch nicht zeitig geworden."

 

Weiter schreibt er:

"Den Geisterglauben bekämpfte ich gleichfalls. Es half aber erst in etwa, als ich den in einem Taglöhnerhause in Föhrental spukenden Geist beschworen und erlöst, d.h. die darin rammelnden Ratzmäuse durch Lärmen und durch Aufhebung von den sie schützenden Brettern vertrieben hatte." Das hinter der Kirche gelegene Beinhaus "mit Köpfen besetzt und auch mit einem Altar versehen", sah Pfarrer Wolf an "als wahren Schlupfwinkel für Betschwestern und anderes liederliches Gesindel." Darum ließ er es "mit amtlicher Hilfe" räumen und schließen.

 

Monatssonntage hießen damals die Sonntage, an denen eine halbstündige Prozession vor der Predigt stattfand. Gar zu gern hätte der Pfarrer diese anstrengenden, wie er schreibt "geistlichen Spaziergänge, zumal bei größter Hitze", abgeschafft, aber das "andächtige Weibergeschlecht" war dagegen. Über die Karfreitags-Wallfahrt vieler Glottertäler zur Wallfahrtskapelle auf dem Mauracher Bergle bieten die Akten diesen Eintrag: "Bei der Wallfahrt, die gegen Fieber gut sein soll, kehrten die Leute auch auf dem zum Wirten eingerichteten Mauracher Hof ein, um sich zugleich durch Fleischessen, Weinsaufen und Tanzen vorm Fieber sicherzustellen. Diesem Unfug suchte ich ein Ende zu machen." Bitterer beklagte sich Wolf auch über den lässigen Besuch der Sonntagsschule, der Christenlehre.

 

Durch all seine Maßnahmen hatte sich Pfarrer Wolf schon nach acht Jahren im Glottertal zumindest mit denen, die das Sagen hatten, völlig überworfen und es kam zwischen ihm und den Vögten immer wieder zu üblen Beschimpfungen. Amtsmüde verließ er 1828 das Glottertal.

 

Aber auch sein Nachfolger Pfarrer Graf hatte mit dem Glottertal und dem lockeren Lebenswandel vieler Bürger seine liebe Not. Als 1829 am Aschermittwoch die Nacht hindurch bis 4 Uhr morgens und ebenso am darauffolgenden Donnerstag der Kreuzwirt Tanz hielt, obwohl ihn Pfarrer Graf gewarnt hatte, erhob der Pfarrer wegen dieses Unfugs Beschwerde in Waldkirch. Das "Kreuz" sei überhaupt ein rechter Sammelplatz von Sauf- und Spielgesellen. Alles Lumpengesindel finde dort eine Unterkunft und zwar zu jeder Stunde, weil man sich dort an keine Ordnung oder Gesetz binde. Das gäben auch die Glottertäler selbst zu. Dieses Tanzen am Aschermittwoch sei zwar ein herkömmlicher Brauch oder vielmehr Mißbrauch. Nach seiner Ansicht könne man jedoch auch Stockfische essen, ohne zu tanzen.

 

Aber auch sonst kämen die Tanzbelustigungen im Tal immer mehr auf. Letzten Sommer sei beinahe alle Sonn- und Festtage Tanz gewesen, obwohl ein Regierungserlaß von 1805 alle Tänze ausser an Kirchweih, Fastnacht und Hochzeiten verbot. Und vor allem habe man in letzter Zeit schon vor der Christenlehre und der Vesper damit begonnen und gewöhnlich erst nach Mitternacht aufgehört.

 

"Mancher Knecht verkauft sein Hemd, seinen Rock, seine Sonntagshose, der Sohn verkauft vom Holz seines Vaters, nur um tanzen zu können. Der Tanzboden ist eine alte Schule zur Verwilderung der Glottertäler Jugend," schreibt er.

 

Ein Vikar beschreibt damals das Glottertal so:

"Glottertal ist ein prächtiges Schwarzwaldtal mit zerstreuten Höfen und wohlbemittelten Leuten. Es ist sozusagen das Land, das von Milch und Honig fließt, üppige Weiden, herrlicher Wald, Viehzucht, Obst und Weinbau gedeihen hier. Desto üppiger sind aber auch die Leute. Es ist ein Vergnügungsort der Städter des nahen Freiburg. Die Zuchtlosigkeit ist groß, Sittenlosigkeit und Übermut bei reich und arm."

 

Im Jahren 1834 kommt Fridolin Willin als Pfarrer ins Tal. Seit Amtszeit fällt in die Zeit der Zehntablösungen, da die Bauern endlich von den Abgaben an die Kirche befreit sein wollten. Der Zehnte betrug jährlich etwa 900 - 1000 fl. Nach dem neuen Gesetz sollten die Besitzer von geschlossenen Hofgütern das Recht haben, sich durch eine einmalige Geldleistung im 18fachen Betrag des jährlichen Zehnten für immer von dieser Abgabe zu befreien, wobei der Staat die Hälfte der Ablösungssumme zahlte. Die Bauern waren damit sofort einverstanden, jedoch Pfarrer Willin wollte absolut nichts davon wissen. Er schob die Sache immer wieder hinaus. Es kam zu langwierigen Prozessen zwischen dem Pfarrer und den Bauern.

 

An das Ordinariat schrieb er einen bösen Brief wegen der Besetzung der Vikarstelle. Diese Hilfsgeistlichen, wie er sie nennt, es waren meist Neupriester, blieben immer nur einige Monate, dann würden sie wieder versetzt und er sei dann doch wieder allein. Ausserdem bräuchte er im Sommer keinen Vikar, da sei sowieso keine Schule trotz aller Schulgesetze, da die Kinder das Vieh hüten müssten. Als er dann trotzdem wieder einen Vikar nach dem anderen bekam, schrieb er zornig nach Freiburg, sie sollten ihm doch auch gleich noch drei Missionare ins Tal schicken.

 

Das 19. Jahrhundert war für das Glottertal eine sehr unruhige Zeit, in der ganz verschiedene Strömungen aufeinander trafen. Es war die Zeit des Kulturkampfs, der großen Auseinandersetzungen zwischen dem Staat und der Kirche. Und es gab auch im Glottertal einerseits sehr konservativ eingestellt Mitbürger. Vor allem die Jungend hatte er schwer, ihrem Leben die richtige Richtung zu geben. Pfarrer Willin machte die Freizügigkeit, die unter der Jugend immer mehr Einzug fand, große Sorgen. Wegen des Tanzens sah er sich dann auch genötigt, einzuschreiten, denn es war inzwischen im Glotterbad jeden Sonntag Tanz. Wie "dieser Unfug Platz greifen konnte entgegen der obrigkeitlichen Verordnungen von 1805", begründet Pfarrer Willin so:

"Um 1800 war im Bad jeden Sonntag vom 1. Mai bis Michaeli Tanz, aber nur für die Badgäste. Nur dann und wann kam es vor, dass ein Badgast einen zuschauenden Schwefelhut (Glottertäler Trachtenmädchen) ergriff und einen Tanz mit ihr machte. Aber da es dort lustig zuging, so sammelten sich immer mehr Schwefelhüte und Filzhüte (Glottertäler Burschen) beim Tanz und schließlich ums Jahr 1835 herum war es soweit gekommen, dass alle Sonntage im Bad auch von den Bauern getanzt wurde zum größten Schaden an Leib und Seele." Als der Badwirt Ehrlacher erfuhr, dass der Pfarrer den Bauerntanz aufheben wolle, ließ er ihm sagen, er solle nur nicht mehr ins Bad kommen, sonst könne er sich an ihm vergreifen. 1840 machten dann die Pfarrämter von Glottertal, Heuweiler und Buchholz eine Eingabe an das Ordinariat und daraufhin kam ein Erlaß, wonach im Glotter- und Suggentäler Bad nur noch 5 mal jährlich Tanz gehalten werden durfte und auch keine Badgäste ohne spezielle Erlaubnis tanzen dürften.

 

Ein großes Problem im 19. Jahrhundert waren die vielen unehelichen Kinder. Schon im 18. Jahrhundert waren die Verhältnisse für die Knechte und Mägde schwierig, im 19. Jahrhundert verschärfte sich das Problem dann noch erheblich. Heiraten durfte nur, wer einen entsprechenden Besitz bzw. eine Wohnung vorweisen konnte. Wer mittellos war, durfte nicht heiraten. Trotz aller Drohungen mit Strafen und der Hölle nahmen die Geburten von unehelichen Kindern so zu, dass in manchen Jahren fast genauso viele uneheliche Kinder geboren wurden wie eheliche. Die ledigen Mütter waren weitgehend alleingelassen. Die Kirche reagierte hart. Nicht einmal den Namen durften die Mütter diesen unehelichen Kindern geben, sondern der Pfarrer suchte den Namen aus, wobei er meist sonst völlig unübliche Namen wählte. Mütter von unehelichen Kindern, der oft waren es Bauernmägde oder ledige Schwestern des Bauern, die nicht genug Mitgift hatten und deswegen keinen Bauern fanden, der sie heiratete, waren sehr schlecht angesehen. Die Väter wurden, wenn es Tagelöhner oder Knechte waren, meistens festgestellt, weil sie oft auch dazu standen und hofften, dann heiraten zu dürfen. War der Vater ein Bauer, dann ist die Vaterschaft meistens nicht festgestellt worden. Gerade die hohe Zahl der unehelichen Kinder führte dazu, dass sich die Bevölkerungszahl des Tales von 1650 bis 1700 von 500 auf fast 1000 beinahe verdoppelte, und in den nächsten 50 Jahren praktisch noch einmal, was die wirtschaftliche Situation stark beeinflußte.

 

 

 

 

 

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