Gastfreundliches Glottertal
Das Glotterbad
Im Gegensatz zu vielen anderen Orten im Schwarzwald und im Breisgau, in denen der Fremdenverkehr erst in den letzten Jahrzehnten eine größere Bedeutung erlangte, kommen ins Glottertal schon seit Jahrhunderten Gäste. Der Grund hierfür liegt im Glottertal.
Die erste Erwähnung dieses beschaulichen Seitentales, die man bis heute kennt, findet sich in den Investiturprotokollen des Erzbistums Konstanz in den Jahren 1488 und 1492, als die Erlaubnis erteilt wurde, in der Barbarakapelle beim Bad einen Tragaltar aufzustellen. Ob die Kapelle damals schon sehr lange existiert hat, ob sie gar schon von den Bergleuten, die hier im 13. Jahrhundert arbeiteten, zum Gebet genutzt wurde, worauf hinweist, dass sie der heiligen Barbara, der Schutzheiligen der Bergleute, geweiht war, lässt sich nicht belegen. Nur noch eine Flurbezeichnung, der sogenannte "Kapellenacker", sowie eine angeblich aus der Kapelle stammende Statue der Heiligen Barbara erinnern an dieses kleine Gotteshaus.
Sicher ist, dass Ende des 15. Jahrhunderts schon so viele Gäste im Lauterbachtal waren, dass es sich lohnte, auch dort die Heilige Messe zu lesen. Somit gibt es im Glottertal eine schon sehr weit zurückgehende Tradition in der Betreuung von Gästen. Allerdings hatte die Gästschar, die sich zu Badekuren im Bad aufhielt, kaum Kontakt zum Tal. Das Luterbad stellte eine in sich autarke Institution dar. Erst zum Ende des 19. Jahrhunderts und vor allem in der Zeit vor dem 2. Weltkrieg wurde das Glotterbad zum Motor des Fremdenverkehrs für das ganze Glottertal.
Wer kam damals in das Bad?
Einen Einblick in die soziale Rangordnung und die Herkunft der damaligen Besucher vermittelt eine Falliste der Herrschaft Schwarzenberg aus den Jahren 1568 und 1593. Verstarb damals ein Besucher oder Einwohner des Tals, so wurde von dem Toten der Fall erhoben, d.h. zum Beispiel das beste Kleidungsstück (Besthäs) bzw. eine entsprechende Geledsumme musste an den Territorialherrn abgeliefert werden.
Von einer armen Frau "von Emmendingen, deren Namen unbewusst, so im Lauterbad gebadet" nahm man das beste Kleid zu Fall. Beim Tod des "Edel und vest Junkher Wolf Sigmundt von Rottberg" wurde 1592 ein "Nachtbelz um 4 Pfund, 19 Batzen" erlöst.
Die Frau eines "Strauwschneiders von Denzlingen" wurde dort ebenso aus dem Leben gerissen und ist in der Falliste mit 2 Batzen, 6 Pfennig aufgeführt.
Weitere Todesfälle weisen auf die nähere Umgebung, vor allem die Stadt Freiburg und reichen bis ins Elsaß.
Was erwartete die Gäste im Bad?
Wie der Tagesablauf bei einer Badekur im 16. Jahrhundert aussah, auf welche Art die Badegäste behandelt wurden, und wie das Zusammenleben der Gäste geregelt wurde, darüber informiert eine Badeordnung. Schon sehr früh, um 1570 bestand eine "Bad-Ordnung in dem Glotterthal", die das Leben der "Bader" bis ins Detail regelte.
Gleich in den Anfangsparagraphen wird die Sorge der Badinhaber um die Aufrechterhaltung eines friedlichen Betriebes im Bad deutlich. An der Nahtstelle zwischen den katholischen österreichischen Territorien und den reformatorischen Gemeinden des Markgrafen von Baden, zu denen auch die Nachbargemeinde Denzlingen gehörte, prallten die unterschiedlichen Auffassungen oft hart aufeinander. Vermutlich weilten im Glotterbad zu jener Zeit Angehörige beider Konfessionen. Deshalb sind die ersten Paragraphen durchaus verständlich:
§ 1
"Erstaunlich demnach Gottslesstern in göttlicher Schrift und fürstlicher Durchleuchtigkeit von Österreich Mandaten bey hocher Peen verbotten, so soll auch alles Schweren und Gottslesstern verbotten sein."
§ 2
"Item es soll auch in diesem Bad kainer den anderen der Religion halber anreden, weder in worten noch in wercken verachten, sonder freundtlich mit einander leben, fridsam sein und pleiben, als sich christlicher5 Ordnung Badgenossen gezimbt."
§ 3
"Es soll auch im Bad und außerhalb nichts Ergerlichs, noch Schentlichs geredt werden, sich auch sunsten im Ein- und Außgeen jeder züchtig und erbar halten."
Ausserdem wurde verfügt, dass "kein Bader oder jemands anderer mit einer schneidenden Wehr (Schwert, MEsser, Rüstung) in das Bad kommen".
Über die Einhaltung dieser Verordnung wachte ein förmliches Gericht unter der Leitung des Schulthaiss, dem die Stabführung oblag. Die Richter, die Anwälte ("fürsprechen") und der Polizei ("waibel") wurden unter den Badgästen ausgewählt. Die Zahl der Richter entsprach mittelalterlichen Gepflogenheiten. Üblich waren analog der Apostelzahl 12 Urteilssprecher, die entweder auf 24 verdoppelt werden konnten, wie beim Hoch- bzw. Blutgericht, oder auf 6 geteilt, wie hier mit einem Schultheissen und 5 Beisitzern.
Der Badknecht sollte nach den Baderegeln " seinem besten Vermögen nach, mit einem Bässen sauber halten und außbutzen", damit sich die Badegäste zu den festen Badezeiten morgens vo 9 Uhr und nachmittags bis um 17 Uhr in die Bäder mit kalten oder warmen Wasser legen konnten.
Als Reaktion auf mangelnde Hygiene und auf das ausschweifende Sexualleben in der Zeit vor 1570 sind etwa folgende Baderegeln zu verstehen:
§ 8
"Item es sollen die Mann in iren Niderkleider zu und uß dem Bad geen, auch die hembder und badmentel, biß sie in dem Casten nidersitzen wollen, anbehalten."
§ 9
"Item es sollen Frauen und Junckfrawen in iren Bad- oder anderen hembdern ein- und außgehn."
§ 17
"Item wann ein Bader ins Bad sitzen will und zuvor die füeß nit abbutzet, der selbige soll in die straff gefallen sein, doch diejenigen, so Bandoflen oder hosen anhaben, außgenommen."
Öffentliche Bäder galten zu jener Zeit als der Ansteckungsort für Geschlechtskrankheiten wie die Syphilis. Nur peinliche Sauberkeit und eine strenge Moral konnten den Niedergang des Badewesens verhindern.
Das Glottertabd zählte damals zu den bekanntesten Badeanstalten und wurden in mehreren Schriften empfohlen. Sowohl das "Badenfahrtbüchlein" des Georg Piktorius (1560) oder Johannes Andernachs "Commentarius de balneum" (1565) sowie das Lehrbuch "Von Wasserbädern, Aderlassen und Schrepffen" Martin Rulands (1568) und auch "Aller heilsamer Bäder und Brunnen Natur ... so in Deutschland bekannt" von Gallus Eschenreutter (1571) empfehlen seine Heilkraft.
Man war sich im Glottertal seiner Bedeutung durchaus bewusst und wünschte auch, dass der Quelle eine gewisse Ehrfurcht entgegengebracht wurde. So ist auch folgender Paragraph zu verstehen:
§ 16
"Item es sollen auch die Bäder noch Fremde, so die Bäder besuchen, dem Bad nit Wasser sagen, bey straff eines fueder weins mit zweyen reiffen gebunden."
Auch sollte niemand in das Bad "harnen", da "durch den Harn das Bad nicht allein unkreftig gemacht wird, sunder auch einen bösen geruch bekummt".
Im 17. Jahrhundert, unter Badwirt Henninger, bestand das gesamte Glotterbad-Anwesen aus einem Badhaus, einerm Gasthaus, einer Nebenherberge und einem Bethaus (der Barbarakapelle). Der darauf lastende Badstubenzins belief sich auf 3 Pfund 9 Schilling jedes Jahr am Martinstag.
In dieser Zeit entstand auch die umfangreichste und ergiebigste Veröffentlichung über das alte Glotterbad. Sie lieferte der in Freiburg praktizierende Arzt Johannes Schenck von Grafenberg mit seiner 1619 in Basel gedruckten Schrift über das Glotterbad, in der er ausführlich die Vorzüge der Kuranstalt preist und einen Einblick in das Leben der Bader jener Zeit liefert. Die Schrift mit dem Titel "Scatebra Gloteria cupro-sulpurea circa Brisiacum montem scaturiens ad vivum descripta" enthält zunächst eine Ortsbeschreibung:
"Es liegt das Glotterbad in dem Breisgäuw, im oberen Glottertal, 3 Stunden von der wohlerbauten ansehnlichen Smadt Freyburg und 1 Stund von dem alten Städtlein und ehrwürdigem Stift Waltkirch in Schwarzenberger Herrschaft. So ist daneben das Glottertal ein anmutiges, lustiges und gesundes Tal mit durchlaufendem fischreichen Wasser, die Glotter geheißen, auch mit allerhand Viktualien für sich versehen, und kann daneben all andere Commoditäten an Speiß und Drank aus dem Breisgäuw haben, welches Ländlein, obwohl es nit gar groß, doch nicht minder als das benachbarte Elsaß an Wein, Getreid, und anderem fruchtbar ist. Das Badwasser anlangend, ist solches ein kaltes Bad, welches gewärmt werden muß: es hat aber nit minder sein innerliche verborgene Wärme. Dieses Wasser, oder vielmehr dieser Brunnen ... ist unter freiem offenem Himmel gelegen, dessen Viviradix oder Hauptader sichtbarlich quellen thut. Es ist mit Holz in die 4 Eck umb- und eingefasset, von dannen es durch hölzene ablang rinnende Kanäl allernächst dabei in das Badhaus, und zwar in zwie zeimlich große Kessel unter einem Ofen abgelendet, allda gebührlich durch den verordneten Badknecht gewärmt und den Badgästen in ihr zuvor gesäuberte und zugedeckte hölzene Badkasten (deren alltäglich in die fünfzig zugerüst werden sollen) eingeführt und eingeleitet. ... Das Wasser des Brunnens ist an ihme selbst hell und klar, hat einen Kupfergeschmack, führt zum Boden im Brunnen-Sarck ein ziemliche Menig eines bolarischen gelben färbenden resolvierten Kupferschleims mit, so sich nicht allein im Brunnen oder bei der Quellen augenscheinliche sehen lasst, sondern alle Rinnen und Ort, wo es hinläuft, oder in Geschirren, darin es sthet, angilbet, auch alles Badgewand (daher die Badgäste mit ausringen etwas zu tun haben) angefärbet und tingieret. Dieweil es auch ein ömineralisch und nicht gemeines simpel Wasser ist, trinkt nicht jedes Pferd oder ander Tier daraus; es ist also dem gebrechlichen Menschen allein zum Guten von Gott verleihen. Letztlich neben dem Gasthaus, Badhaus und Nebenherberg, soll ich auch einer gar feinen Privat-Andacht und Devotion nicht vergessen. Dann alldar, allernächst bei dem Bad, auf einem Berg liegend, ein anmutig andächtig Kirchlein oder Bethaus und Kapellin sich befindet, da einer oder der ander Badgast sein Gebet täglich und stündlich, aber auch sonntäglich zur Ehr Gottes verrichtet, auch des Bads gedeihen und hilfreichen Segen sich erbeten kann."
Nachdem Schenk auf Indikationen und Heilanzeigen des Glotterbader Wassers beschrieben hat und die Vorzüge des Aderlaß erwähnt hat, kommt er auf Badregeln zu sprechen:
1. Wer in das Bad kommt und wegen der Reise (durch das Reiten oder Fahren) etwas müd ist, soll zuerst ein Tag oder mehr ausruhen.
2. Die, welche kalter oder feuchter Natur sind, sollen ungefähr acht Tage vor dem Baden, das Badwasser trinken, jedoch alleinig morgens wie es aus der Quelle kommt, ungefähr 1 oder 2 Schoppen.
3. Sie sollen dafür sorgen, daß die Kästen, worin sie baden, gereinigt sind, was im Glotterbad täglich geschieht.
4. Die gewöhnlichen Badstunden sind morgens 5, abends 6 Uhr.
5. Die Badgäste sollen mit einer Stunde baden anfangen. Dann jeden Tag eine halbe oder eine Stunde mehr. Bis sie auf sechs oder minder Stunden gekommen sind. So sollen sie etlich Tag bleiben. Hernach wöllen sie wiederum allsittiglich wie sie aufgestiegen, mit gleichförmigen Abbrechen der Stunde absteigen und nachlassen.
6. Im Bad soll man nichts essen und trinken. Nur wenn einer Ohnmacht oder Schwachheit besorgt, dann mag er wohl ein Kraftbrot, Marzipanwecklin, Zuckerbrot oder auch allein Weißbrot in Granatwein oder sonst kräftigem Win anfeuchten, oder allein im Roswasser eindunken und zu essen geben, auch etwan ein alchermes oder Kaiser Rudolfs Herzszucker den höheren Personen beibringen. Da ferner manchen das Fasten von einer Mahlzeit zur anderen beschwärlich fallen könnte, so ist es erlaubt, im Bad ein frisch lind gesotten Ei auszusupfen, beineben auch manus christi perlati kraftäffelin von Rosen oder Sandeln und dergleichen Kraftstück.
7. Ist der Schlaf im Bad besonders schädlich.
8. Nach dem Bad sollen die Patienten sich ins Bett legen und schwitzen.
9. Dann sollen sie vor dem Essen sich etwas üben, eines exercitii gepflegten und belustigen sonderlich mit spazieren an einem windstillen Ort im grünen Thal, die Berglin auf oder das Thal erquicken, auch sonsten mit anderen kurzweiligen zeitvertreibenden Übungen befüllen.
10. Im Glotterbad ist der Morgenimbiß um zehn Uhr, der Nachtimbiß ungefähr um fünf Uhr und wird desswegen ein besodneres Tischglöcklein geläutet."
Mit diesen Baderegeln wird deutlich, wie sehr sich doch die Heilmethoden seit dem Mittelalter gewandelt haben.
Man musste, sollte die Kur erfolgreich sein, mindestens vier Stunden am Tag - im Glotterbad mindestens sechs Stunden - im Wasser sein und gleichzeitig auch eine Trinkkur über sich ergehen lassen, die mit dem Konsum von Unmengen von Mineralwasser verbunden war. Bald zeigte sich bei den Gästen ein Badeausschlag, der auf den zu langen Aufenthalt im warmen Wasser und auf die Wirkung der im Wasser gelösten Mineralsalze und gelegentlich auch der Gase zurückzuführen war. Der Ausschlag war oft verbunden mit unangenehmem Juckreiz, der den Patienten zu mehreren Tagen Badeabstinenz zwang. Danach wurde aber die Badekur fortgesetzt.
Das Schlafverbot im Bad ist auf die häufig tödlichen Unfälle bei solchen Badekuren zurückzuführen. "Balneo suffocatus" also "im Bade ertrunken", war eine nicht seltene Todesart in jener Zeit. Vermutlich waren die bedauernswerten Bader ob ihrer Anstrengungen eingeschlafen und ertrunken.
Aderlaß und Schröpfen begleiteten die Kur. Mit dem Laßeisen wurde ein bestimmte Vene angeschnitten, bei Kopfschmerz zum Beispiel eine Ader an der Stirn oder am Hals. Nach dem Aderlaß sollte man drei Tage warten und dann mit dem Baden beginnen.
© www.schwarzwald-kult-klinik.de