Die alten Talwirtschaften
Wie schon erwähnt, hatte die Zersplitterung der heutigen Gemeinde Glottertal in die 4 Vogteien Unter- und Oberglottertal, Föhrental und Ohrensbach zusammen mit der Existenz des Glotterbades als früher Magnet für Fremde dazu geführt, dass es schon immer 5 Wirtschaften im Tal gab.
1. Das "Kreuz"
Schon das erste am Ortseingang gelegene Gasthaus des Glottertals ist ein typisches Beispiel dafür, dass die Gasthöfe des Tales ursprünglich noch ganz andere Funktionen für die Gemeinde und ihre Einwohner innehatten. So wird, das als "Kreuz" 1619 als Gasthaus genannt wird, der Wirt Michael Spiess als Müller und zugleich als Wirt der Föhrentaler Mühle bezeichnet. Er bezalte jährlich für die Schildgerechtigkeit 3 Gulden, für das Backen 1 Gulden 30 Kreuzer, für die Merzig 5 Gulden und für die Sägemühle 1 Batzen 30 Kreuzer. Damals war das "Kreuz" nicht in erster Linie als Wirtshaus von Bedeutung, sondern seine Funktionen als Mühle und Säge des Föhrentals, aber auch seine Landwirtschaft standen im Vordegrund. Dies sollte übrigens bis weit ins 20. Jahrhundert hinein so bleiben.
Schon um 1700 übernahmen die Eheleute Jakob und Maria Kunz geborene Scheffold das Anwesen. Sie begründeten eine lange anhaltende, bis zum heutigen Tag bestehende Kontinuität. Seit bald 300 Jahren ist die Familie Kunz mit dem "Kreuz" verbunden.
Bis 1900 etwa war das "Kreuz" Rathaus von Föhrental. Auf dem heutigen Parkplatz war der Ortsarrest, in dem an den Sonntagen faule Berufsschüler und Schulschwänzer eingesperrt worden sind.
Im Jahre 1961 wurde das Gasthaus renoviert und dabei das großartige Fachwerk freigelegt. Baurat Hasselbach bemerkte hierzu bei der Neueröffnung 1961: "Das 'Kreuz' stellt eine erstklassige Fachwerkarbeit in fränkisch-alemannischer Abzimmerung dar. der fränkische Einfluss kam durch wandernde Handwerksburschen, die damals als Zimmerleute mitgewirkt haben. Das Haus ist durch die "Andreaskreuze", besonders interessant."
Vor allem unter den jetzigen Besitzern Karl und Martha Kunz expandierte das "Kreuz". Durch Um- und Anbauten wurde das Hotel erheblich vergrößert.
2. "Zum Goldenen Engel"
Das Ortszentrum des Unterglottertals wird geprägt durch zwei dicht beieinanderstehende "Geschwister", einmal das religiöse Zentrum aller vier Glottertalgemeinden, die Pfarrkirche, andererseits der alte Schwarzwälder Gasthof, das Untertäler Gemeindewirtshaus "Zum Goldenen Engel".
Der alte Gasthof wurde schon im Jahre 1507 erwähnt. 1635 erfährt man vom Engelwirt Jörg Ries, der mit seiner Familie vor den Schrecken des 30jährigen Krieges in die Berge fliehen musste. Der "Engel", der auf die durchziehende Soldateska und auf die ihr nachfolgenden zwielichtigen Gestalten wie ein Magnet wirken musste, stand während des 30jährigen Krieges die ganze Zeit leer.
Um 1725 erfährt man vom Engelwirt Johann Michael Fackler. Für lange Zeit sollte die Familie Fackler auf der Wirtschaft bleiben. Mehrfach werden in den Kirchenbüchern Stiftungen der Engelwirtsleute an die Pfarrkirche von Glottertal erwähnt. So ließ der Engelwirt Johann Michael Fackler den Muttergottesaltar von 1727 errichten.
Im Jahre 1788 kam es dort zur Gründung einer Glottertäler Handwerkerzunft, im "Engel" war die Zunftstube mit der Zunftlade.
Bis ins 20. Jahrhundert hinein verblieb der Gasthof im Besitz der Famlie Fackler. Aus jener Zeit ist eine Ansprache des Engelwirts Fackler zu Silvester an seine Dienstboten überliefert. Diese "Anred an Meine Dienstbotten" einem den Einblick in die Hirarchie im Gasthaus "Engel":
"Jetz ist das alte Jahr vorüber, mir wollen die Fehler, die mir im alten Jahr gehabt, einandr verzeihen. und das Neue Jahr in Fried Liebe und Einigkeit mit einander anfangen. Ich hab zwar nicht Nöthig, Euch an Eure Pflicht zu erinnern, doch aber dänke ich, es möchte eins oder andere sich vergeßen, haben, meine Pflichten seint die. Euch in Gesunden Tagen und Krangen Tagen zu unterstützen, und Euch euer vrsprochen Lohn und Kost zu geben, dagegen müßt Ihr mir gehorsammen und getreu sein, und meinen Nutzen so gut befördern, als in euere Kräften steht, und mich als euren Maister ansehen, was ich befehle es gründlich thun und wan ich eins oder ander was frag, mir verständige Antwort geebt, und weil ich nicht allezeit beim Geschäft sein kann, euere Arbeith Ihr gehorig thun sollen, so als wen ich bey Euch selbsten wär,..."
So erinnert Fackler seine Bediensteten, an die Treuepflicht gegenüber ihm. Er, der Herr, der Besitzende, der keine gemeine Arbeit zu tun braucht, sondern der, wie Fackler sagt "sonst vill geschäften hab wegen Pflegschaften, die Ihr wohl wüstent," erwartete, dass man seinen Anweisungen Folge leistete, dass die Knechte und Mägde ihm "gehorsammen" müssen. Wie alle absoluten Herrscher war er der Meinung, dass seine "Herrschaft" nur funktionieren kann, "wenn Ihr also thut, so wir ich Euch Lieb haben, dann wird Fried, Liebe und Einigkeit in meim Haus herschen, und dann Gesundheit und Gottes Segen, wird under uns wohnen, welches die schönste Gab unsers Lieben Gott ist."
Engelwirt Fackler hatte sozusagen die gottgegebene Macht über seinen Besitz. Wie damals auch der Bauer, konnte er sich als kleiner König fühlen, der es nicht nötig hatte, selbst zu arbeiten, dafür hatte ihm Gott seine Knechte und Mägde gegeben.
Als Engelwirt Karl Fackler (7.8.1839 - 18.2.1889), der mit seiner Frau Barbara geborene Birkle 12 Kinder hatte, verstarb, führte zunächst seine Witwe das Gasthaus weiter, übergab es aber später an ihren Sohn Franz Sales. Dieser konnte aber den "Engel" nicht halten und verkaufte ihn schließlich an das Glotterbad. Franz Sales folgte seinem Bruder Josef nach Australien.
Das Glotterbad, das damals unter der Leitung von Direktor Bayer einen großen Aufschwung nahm, wollte expandieren und kaufte deshalb schon 1900 von Franz Xaver Fräßle den Badburenhof und verkaufte an ihn den "Engel". Fräßle interessierte sich allerdings nicht sehr für die Wirtschaft sondern führte vor allem die Landwirtschaft. Er verpachtete den "Engel". Als Fräßle 1912 starb, führte seine Frau Maria geb. Hilzinger, die vom Wuspenhof stammte, den "Engel" als Witwe über den 1. Weltkrieg hinweg weiter. Ihr zweiter Mann, Josef Strecker (20.06.1890 - 25.10.1967), stammte vom "Hirschen". Er wurde als Mitglied der Trachtenkapelle, mit der er auch die großen Konzertreisen vor dem Krieg nach England und zu verschiedenen deutschen Rundfunkanstalten mitgemacht hatte, zum Original. Als "Vetter" war er überall im Tal und in der ganzen Umgebung bekannt.
Wie schon erwähnt, war der "Engel" verpachtet, so pachtete August Faller (*2.5.1883 in Ohrensbach) 1909 bis 1921 den "Engel". Er baute gleichzeitig einen Omnibusbetrieb auf.
Auf Faller folgte im Jahre 1921 Wilhelm Beck. Er führte den "Engel" bis ins Jahr 1934.
1934 folgten Robert Linder, Metzgermeister aus Ohrensbach und seine Frau Ida, geborene Fräßle, auf den "Engel". Robert Linder war als ehemaliger Händler berufsbedingt viel herumgekommen, so hatte er immer auch von ausserhalb Kundschaft im "Engel".
Robert Linder pachtete später den "Ochsen" in Denzlingen, da er hoffte, dort größere Geschäfte machen zu können wegen des Bahnanschlusses Denzlingens.
So kam es, dass von 1938 bis 1940 der "Engel" von den Besitzern Josef Strecker und seiner Frau Maria selbst betrieben wurde. Von 1940 an führte Georg Fräßle den "Engel", den er von seinem Stiefvater Josef Strecker käuflich erworben hat bis zu seinem Tode 1943. Seine Witwe Rosa Fräßle übernahm nun die Wirtschaft. Am 16.9.1949 pachtete der spätere Adlerwirt Karl Linder von ihr den "Engel". 1951 schließlich kam das Gasthaus an Maria Linder geborene Strecker, Tochter des Josef Strecker. Sie führte die Wirtschaft zunächst nicht selbst, sondern Karl Linder blieb als Wirt auf dem "Engel" als eine große Katastrophe über den "Engel" hereinbrach:
Am 29.6.1953 wird das 400jährige Gasthaus "Zum Engel" ein Raub der Flammen. Die Badische Zeitung und viele Zeitungen im In- und Ausland berichteten in großer Aufmachnung:
An diesem Montagmorgen, kurz nach 3 Uhr brach im rückwärtigen Teil des Gasthauses "Zum Engel" Feuer aus, das wenig später auf das gesamte Gebäude übergriff. Obwohl die Glottertäler Feuerwehr sofot zur Stelle war und auch die Feuerwehren aus Freiburg , Waldkirch, Denzlingen und Heuweiler schon kurze Zeit später anrückten und das schwere Schadenfeuer aus zehn Schlauchleitungen bekämpften, konnte das stattliche Anwesen nicht mehr gerettet werden. Mit Mühe und Not gelang es, das Vieh aus den Stallungen ins Freie zu bringen. Das gesamte zum Teil sehr wertvolle Inventar des Hauses wurde ein Raub der Flammen. Einzig die zwei Stammtische konnten von beherzten Nachbarn aus dem brennenden Gasthaus gerettet werden.
Nach der Brandkatastrophe übernahmen die Besitzer Hemann Linder und seine Frau Maria die Wirtschaft selbst. Schon am 23.4.1954 konnte Richtfest für den neuerbauten "Engel" gefeiert werden. Das alte Gasthaus war zwar modern aber im alten Stil wieder aufgebaut worden.
Nach dem Tode ihres Mannes 1959 führte Maria Linder den "Engel" alleine weiter bis zur Übergabe an ihren Sohn Hermann Linder und dessen Frau Christa geborene Fuhrmann im Jahre 1980.
3. Der "Hirschen"
Dem "Engel" gegenüber liegt das Gemeindewirtshaus von Ohrensbach, "Zum Hirschen". er erste bekannte Hirschenwirt ist im Jahre 1671 Christian Beha. Von ihm berichtet Pater Georg Schurhammer im Zusammenhang mit einer tragischen Begebenheit:
"Der unglückliche Schütze: Am St. Conradstag (26. November) 1671 war eine Hochzeit im Ohrensbach. Wie im Tal Brauch, war morgens ein Amt und nach dessen Beendigung gings hinüber in den Hirzen um dort bei Essen und Tanzen die "Hosig" zu feiern. Damals jedoch konnte man sich kaum eine Festlichkeit denken ohne ein Scheibenschießen und darum arrangierten der Hirschenwirt Christian Beha ein Hosigschießen, wozu er und die Gäste eine Gabe von 1/2 Taler aussetzten. Man schoß auf eine Scheibe mit Gewehren, die man auf eine Gabel auflegte. Gewöhnlich war vorne ein Mann aufgestellt, der die abgeschossene Kugel wieder ausgraben sollte, damit man wieder von neuem damit schießen konnte. Bei diesem Schießen war anfangs kein solcher Mann da.
Zuerst schoß Jakob Hoch. Ein Taglöhner aus Ohrensbach, namens Geiger, lief nach dem Schuß zur Scheibe vor, um die Kugel auszugraben. Als der Wirt - er war der dritte - schoß, machte er einen Witz, sodass die ganze Gesellschaft in lautes Gelächter ausbrach. Nun kam Siffringer an die Reihe. Dieser Jakob Siffringer war 52 Jahre alt und schon bei 7 Scheibenschiessen im Ohrensbach und bei 12 im übrigen Glottertal gewesen. Hinten beim Glotterbad lag sein Hof (wo er Taglöhner war), der dem Kloster St. Peter zinspflichtig war.
Hans Kolling hielt seinen Hut über die Zündpfanne, damit diese bei dem leichten Regen, der herabrieselte nicht nass würde, Jakob Hoch brachte ihm Feuer und fragte, ob er schon abgeschrien habe ( um den Mann an der Scheibe zu warnen). Nun tat Hoch den Deckel auf und sagte: 'Hab jetzt Sorg". Darüber brannte Siffringer los, in dem Glauben, es sein niemand mehr vorn bei der Scheibe, da kein Hut oder sonst ein Zeichen, wie man es hinzulegen pflegte, dort zu sehen war. Geiger war aber zur Scheibe vorgegangen, um die Kugeln des Wirts zu suchen, weil Leonard Blattmann und ein anderer Blattmann gesagt hatten, sie würden auch gern schießen, wenn sie nur Kugeln hätten. Diese Gefälligkeit büßte er mit dem Tode. Denn infolge des Gelächters, welches auf die Worte es Wirts gefolgt war, hatte er scheints das Abrufen Siffringers nicht gehört und war hinter der Scheibe geblieben, als der Schuss losging. Es war gut gezielt; ganz nahe beim Schwarzen traf die Kugel, aber sie traf auch den Geiger, der tot vom Stein, auf dem er stand, herabfiel. Voll Entsetzen eilte der unglückliche Schütze hin zu dem Getroffenen und als er sah, dass Geiger tot war, fiel er ohnmächtig zu Boden. Ringsum allgemeines Entsetzen. Verstummt war plötzlich aller Hochzeitslärm, alles rannte zur Unglücksstätte. Man suchte die beiden wieder zum Leben zu bringen. Bei Geiger gings nicht mehr. Siffringer kam nach einer Stunde wieder zu sich. Er war leichenblass und ganz verstört. Zweimal ging er hin zu dem Getöteten und weinte und jammerte. Endlich gelang es, dem vom nahen Pfarrhaus herbeigeholten Pfarrer, sowie seinem Sohn und seinen Töchtern, ihn zum Heimgehen zu bewegen. Er merkte kaum mehr, was um ihn vorging, als sein Gefährte Braun, die Kinder und der Pfarrer ihn heimführten..."
Im Jahre 1712 wurde Adam Schurhammer durch Heirat mit Rosina Behin, der Tochter des Christian Beha, Wirt auf em "Hirzen".
Schurhammer berichtet über den damaligen "Hirschen":
"Das Hirschenwirtshaus, das 1776 abbrannte, war ein mächtiger alter Holzbau, ähnlich dem Engelwirtshaus, wie wir aus einem von ungeschickter Hand gemalten Votivbild erfahren. das den Brand darstellt. Nach dem Steuerregister von 1720 muss Adam (Schurhammer) von seinem Gut jährlich steuern: 6 Batzen und zwey Pfennig Martinisteuer, ein Guller und sechs Sester Haaber. Als Wirt musste er dazu noch das 'ordinari Umbgeld' entrichten, nämlich von jedem Saum Wein zwölf Batzen vom ungeraden Maß drey Heller, und die Salzsteuer."
Sein Sohn Adam II Schurhammer folgte ihm als Hirschenwirt.
1802 ist Mathias Kapp Hirschenwirt im Ohrensbach. Im Jahre 1811 ging der "Hirschen" in den Besitz der Familie Reichenbach über. Eine Tochter des Hirschenwirts Josef Reichenbach (1811 - 1856) war Luise Reichenbach (1836 - 1908), die Mutter des bekannten Schwarzwaldmalers HErmann Dischler.
Der "Hirschen" fiel 1855 einer zweiten großen Brandkatastrophe zum Opfer. So berichtet die Badische Zeitung 100 Jahre später:
"In den Morgenstunden des 9. Januar 1855 ist der alte aus Holz erbaute "Hirschen" durch eine Schadenfeuer völlig zerstört worden. Der alte Schwarzwälder Gasthof war eines der größten Schwarzwaldhäuser weithin und hatte das Aussehen wie sein kleiner Nachbar der "Engel", der gegenüber jenseits der Glotter seit 1507 stand. Der "Hirschen" war ein behäbiges Anwesen, in dem Wohlstand herrschte und zu dem auch viel Wald, Felder und Wiesen gehörten, die teilweise in der Gemarkung Heuweiler lagen. Am 9. Januar 1855 war im "Hirschen" aus Anlass der Taufe eines Sohnes des benachbarten Leimenhof ein Festessen angesetzt. Der damalige Hirschenwirt, Christian Reichenbach, wollte sehr zeitig aufbrechen, um in Denzlingen das Fleisch zum Festschmaus zu holen. Als er ins Freie getreten war, bemerkte er im Stall Feuerschein. Der Knecht war in der Morgenfrühe damit beschäftigt gewesen, das Futter für das Vieh zu richten, und dabei ist ihm das Licht umgefallen, das Heu und Stroh im Nu in Flammen setzte. Der Knecht ist bei seinen erfolglosen Löschversuchen in den Flammen umgekommen und das alte Schwarzwaldgasthaus war rasch eingeäschert. Der neue "Hirschen" ist im gleichen Jahre wieder aufgebaut worden."
Die Reichenbach hatten mit dem "Hirschen" kein Glück mehr. Sie verschuldeten sich und mussten ihn verkaufen. An die alten Besitzer erinnert noch eine erhalten gebliebene Bank am Stammtisch mit den Initialen der Reichenbach.
Auf Umwegen kam nun Hermann Strecker zum "Hirschen".
Hermann Strecker stammte vom Kreuzbauernhof im Föhrental, seine Frau Albertine geb. Tritschler vom Mattenhof im Ohrensbach. Die beiden wollten etwas Neues aufbauen und hatten zu jener Zeit die Wahl zwischen 2 interessanten Objekten im Glottertal:
Das Glotterbad und der "Hirschen" standen zum Verkauf. Das Bad zu erwerben überstieg jedoch ihre finanziellen Möglichkeiten, zumal Hermann Streckers Schwiegervater, der alte Mattenbur, sich weigerte, ihm beim Kauf des Bades zu helfen. So kaufte er schließlich den "Hirschen".
Auch beim "Hirschen" war damals die Landwirtschaft interessanter als die Wirtschaft. Die Wirtsstbe war sehr klein und fasste höchstens 10 Tische für ca. 40 Personen und den Stammtisch. Im Nebenzimmer wohnten die Wirtsleute. Hermann Strecker kümmerte sich zunächst intensiv um die Landwirtschaft. Seine Frau hatte auch kein Interesse an der Wirtschaft, so dass zunächst kaum in die Erneuerung des Gemeindewirtshauses investiert wurde.
Heute kann man sich kaum vorstellen, dass der "Hirschen" wie auch die anderen Talwirtschaften ursprünglich weit interessanter waren wegen der dazugehörigen Landwirtschaft als wegen der Wirtschaft selbst. Vor etwas mehr als 100 Jahren aber, da das Glottertal noch sehr bäuerlich geprägt war, der Fremdenverkehr noch keine Bedeutung hatte, konnte man mit einer Wirtschaft allein kaum existieren.
Als ihr Sohn, Hermann Strecker, der die Wirtschaft einmal übernehmen sollte, seine Lehre in der "Post" in Emmendingen machte und später als Kellner in Nizza, Montreux und Badenweiler arbeitete, wurde der "Hirschen" verpachtet. So nahm 1906 Mechanikermeister Leopold Philipp den damals angebotenen "Hirschen" zur Pacht. In dieser Zeit hatte der Turnverein sein Domizil im "Hirschen". Unter seinem Vorsitzenden Leopold Philipp wurde in der Scheune geturnt.
1919 kam es zur Übergabe des "Hirschen" an den Sohn Hermann Strecker (10.5.1889 - 1.6.1963), der verheiratetet war mit Maria Scherzinger (16.5.1896 - 9.7.1973) vom Gehri-Hof in Heuweiler.
1927 wird der Hirschensaal gebaut, der für die 4 Glottertalgemeinden sowohl in Bezug auf die Entwicklung des Fremdenverkehrs, als auch für das kulturelle Leben der Glottertäler von großer Bedeutung sein sollte. Zuvor gab es im 1. Stock des "Hirschen" schon einen Saal. Dieser wurde mit dem Anbau in Fremdenzimmer umgewandelt. Der Saal diente den Vereinen, den Glottertalgemeinden und allen Bürgern als Ort für größeren Veranstaltungen. Hier fanden Tanzveranstaltungen, Versammlungen der vielen Glottertäler Vereine, Weihnachts- und Betriebsfeiern ebenso statt, wie die traditionellen Theateraufführungen über Weihnachten. Anders als heute, wo vor allem lustige Stücke aufgeführt werden, spielte man zunächst Stücke mit moralisierendem Inhalt. Unter Pfarrer Adolf Walz kamen Stücke zur Aufführung wie: "Andreas Hofer, der Held vom Passeier", aufgeführt vom Musikverein, und "Longinus, des Heiligen Herzblutes Jesu erster Erbe", aufgeführt vom katholischen Männerverein St. Joseph. Josef Bitsch, Oberlehrer aus dem Unterglottertal, studierte mit dem Kirchenchor um 1930 die Stücke "Die blühende Zeit" und "Der Vogt auf Mühlstein" von Heinrich Hansjakob ein. Georg Reichenbach, Vogtshansenbauer und letzter Bürgermeister der Gemeinde Oberglottertal, studierte nach dem Krieg mit der Trachtenkapelle viele Stücke ein. Zunächst musste im Kindergarten Theater gespielt werden, da der Hirschensaal von den "Franzosen" okkupiert war. Bald aber konnte auf der Bühne im "Hirschen" wieder Leben einkehren. So wurde unter anderem 1949 "Der Vogt auf Mühlstein" im "Hirschen" aufgeführt. Noch heute schwärmen viele von dieser großartigen Aufführung.
Nachdem Hermann Strecker und seine Frau Ortrud den "Hirschen" 1960 übernahmen, wurde der Hirschensaal nach und nach vollkommen umgestaltet. Die Verlegung des Ohrensbacher Weges, der unmittelbar vor dem Gasthaus verlief, öffnete dem Gastwirt die Möglichkeit, 1960/61 eine Großterrasse vor dem Hotel zu bauen. Bei einem schweren Unwetter wurde der Großteil des Scheunendaches abgedeckt. Die Entschädigungssumme des Badischen Gebäudeversicherungsvereins konnte man zu weiteren Baumaßnahmen und zum Abbruch der Scheune verwenden. Ein Zeichen für die veränderten Prioritäten in diesem Betrieb. Gekauft wurde das Anwesen noch wegen der Landwirtschaft, nun wurde die Scheune abgerissen, um Raum für den Ausbau des Hotels zu schaffen.
1966 wurde der Hirschensaal endgültig umgestaltet, so dass die früher hier üblichen Veranstaltungen nicht mehr stattfinden konnten. Die Veranstaltungen der Vereine der Gemeinde fanden ab sofort in der Aula der neuerrichteten Schurhammerschule, und später in der Festhalle statt.
So war erst in den 1960er Jahren aus einem von seiner Landwirtschaft geprägten Dorfgasthof mit Scheune und Ställen und einem großen Saal für die Gemeinschaften des Tales ein großer Hotelkomplex geworden.
4. Die "Sonne"
Wie lange das "Wirtshaus zur Sonne", das ehemalige Gemeindewirtshaus des Oberglottertals mit seiner hochgetäfelten Wirtsstube mit den dunklen Deckenbalken und seinem Fachwerk schon existiert, lässt sich nicht mehr feststellen. Sicher ist die "Sonne" älter als die auf dem Wirtshausschild angegebene Jahreszahl 1723 andeutet. Auf ein hohes Alter ließen zum Beispiel die altehrwürdigen Linden schließen, die noch vor wenigen Jahren vor der "Sonne" auf der Straße standen, und dieses alte Gehöft nach der Straße hin abschlossen. Die Linde wurde bevorzugt an Gerichtsplätzen gepflanzt und wurde als sogenannte Gerichtslinde gebraucht. Vermutlich wurde an dieser Stelle in alter Zeit Gericht gehalten.
1659 wird Hans Vischer als Sonnenwirt erwähnt in einer Aufzählung der Inhaber der 18 Lehen im Besitz der Deutschherrenkonthurei Freiburg. Wie beim "Kreuz" im Föhrental gehörten auch bei der "Sonne" Hofgut, Säge, Mühle und Gasthaus zusammen. So taucht schon im Jahre 1706 der damalige Sonnenwirt Michael Hoch auch als Müller auf. Auch sein Nachfolger Michael Beha wird 1722 als Wirt und Müller erwähnt.
Später kam das Gehöft, das auch umfangreiches Geländeauf Denzlinger Gemarkung sein Eigen nannte, an die Familie Blattmann. Aus dem Jahre 1786 ist ein Gabenbüchlein des Jakob Blattmann erhalten. Darin wird akribisch die Schuldigkeit des Jakob Blattmann gegen allergnädigste Herrschaft Schwarzenberg aufgelistet.
Im 19. Jahrhundert fanden im Sonnenwirtshaus häufig öffentliche Versteigerungen statt.
Wie es zu dem markanten Einschnitt in der Säule neben dem Sonnenstammtisch kam, davon berichtete Pater Georg Schurhammer in einem Interview:
"1848/49 wurden die Mecklenburger ins Tal einquartiert in die "Sonne". Sie haben viel Glottertäler Wein getrunken und haben gemeint, die Säule da in der Wirtschaft sein ein Feind und haben die Säbel reingehauen. Man 'seiht' heut noch die Narben. In Mecklenburg gibts doch keinen Wein und noch viel weniger Glottertäler."
Im 19. Jahrhundert sind dann wieder Beha auf der "Sonne". Johann Michael Beha ist Sonnenwirt, Bauer, Müller und Säger. Dessen Tochter Maria Beha heiratete den Stampferbauer Georg Rieder. Sie übernahmen am 8. März 1878 die "Sonne".
Nachdem ihr Sohn Georg Rieder 1941 gestorben war, wurde die "Sonne" von seiner Tochter Franziska alleine weitergeführt, die Söhne Georg und Johann waren im Krieg und der älteste Sohn Heinrich war nach Kanada ausgewandert. So wird verständlich, dass über das Geschick der "Sonne" bis in die 1980er Jahre hinein nur mit Zustimmung aus Amerika bestimmt werden konnte. Als 1948 die Geschwister Georg und Franziska Rieder als Erbengemeinschaft die "Sonne" an Johann Rieder verpachten, musste auch Heinrich Rieder zustimmen, der nach Kanada ausgewandert war, dort als Landvermesser arbeitete, und das Wohnrecht auf der "Sonne" hatte. Heinrich Rieder verstarb 1983.
Was weder die Einquartierungen in Kriegszeiten noch der Scheunenbrand in den 1970er Jahren fertig brachten, schaffte man beinahe in den 1970er Jahren. Man beschloss 1979 den Abriss der "Sonne" im Zuge des Straßenbaus, um eine Verlegung der Glotter zu verhindern. Da sich die späteren Sonnenwirtsleute Arndt und Gertrud Dilger, sie sollten die "Sonne" am 1.8.1980 übernehmen, wehement dagegen wehrten und da der Straßenausbau immer noch auf sich warten lässt, konnte dieses Stück altes Glottertal für die Nachwelt erhalten bleiben.
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